Der dienstälteste Staatschef der Welt, Mu'ammar al-Qadhdhafi (so die korrekte Transliteration seines Namens) wäre am 1. September genau 42 Jahre der Herrscher Libyens gewesen. Während er die Bühne verlässt, verdient seine erbärmliche Herrschaft eine Einschätzung.
Bei seiner Machtübernahme war Gaddafi eine der gut attraktivsten öffentlichen Personen. |
Erstens hatte er eine Schlüsselrolle beim Anstieg der Energiepriese, der 1972 begann und sich bis heute fortsetzt. Durch die Herausforderung der Kontrolle der internationalen Ölfirmen über die Erdölproduktion und die Preisgestaltung begann er den Transfer der Macht von Vorstandsälen des Westens in die Paläste des Nahen Ostens. Insbesondere halfen Gaddafi die von ihm eingegangenen Risiken dabei die Vervierfachung des Ölpreises 1973/74 herbeizuführen.
Zweitens trat Gaddafi los, was damals islamisches Wiedererwachen genannt wurde und ebenfalls heute noch weiter geht. In einer Zeit, als niemand sonst so weit war das zu tun, trieb er stolz und provokativ die islamische Sache durch Anwendung von Teilen des islamischen Rechts voran; er rief die Muslime weltweit auf, das auch so zu tun und half allen Muslimen, die in Konflikt mit Nichtmuslimen standen.
Gaddafis lange Herrschaft kann in vier Epochen gegliedert werden. Die erste und bedeutendste (1969-1986) bestand aus frenetischer Aktivität seinerseits, als er sich in Probleme und Konflikte von Nordirland bis zu den Philippinen einmischte. Eine unvollständige Liste beinhaltet, dass er beinahe Jimmy Carters Wahlkampf 1980 lahmlegte, indem er dessen Bruder Billy Geld zahlte; eine politische Union mit Syrien verkündete; dem Iran militärisch gegen den Irak half; Malta wegen Ölerkundungen in umstrittenen Gewässern drohte; die zypriotische Regierung bestach einen libyschen Radiosender im Land zu akzeptieren; Truppen in den südlichen Tschad schickte, um das Land zu kontrollieren und es mit Libyen zu vereinen; und einer muslimischen Gruppe in Nigeria half, deren Gewalttätigkeit mehr als 100 Tote zurückließ.
Symbolisch für den Verfall des Regimes: Gaddafi wurde schließlich zu hässlichsten Person der Öffentlichkeit. |
Die erste Epoche endete 1986 mit dem Bombardement durch die USA als Vergeltung für den Bombenanschlag auf eine Diskothek in Berlin; dieser Angriff schien Gaddafis Psyche beeinträchtigt zu haben. Sein rabiates Abenteurertum ließ dramatisch nach, begleitet von einer Hinwendung nach Afrika und der Ambition Massenvernichtungswaffen zu bauen. So wie seine Präsenz auf der Bühne der Welt schrumpfte, wurde er als Spinner abgetan.
Die dritte Epoche begann 2002, als ein gezähmter Gaddafi Entschädigungen für die Rolle Libyens beim Anschlag auf und Absturz eines PanAm-Flugzeugs zahlte und seine atomaren Ambitionen aufgab. Da die Grundsätze seines Regimes bestehen blieben, wurde er in westlichen Ländern zur persona non grata, während der britische Premierminister und der amerikanische Außenminister ihm in Libyen Respekt zollten.
Die vierte und letzte Epoche begann Anfang dieses Jahres mit der Rebellion in Benghazi, als Gaddafi beim Rückzug auf die eindeutige Brutalität seiner frühen Herrschaft zurückgriff und das sorgfältig aufgebaute Image eines Mannes wegwarf, der den internationalen Erwartungen Beachtung schenkt. Da sein Regime auf dem Spiel stand, rückten seine Boshaftigkeit und sein Wahn ins Zentrum. Die Folgen waren verheerend – die Libyer lehnten ihn, seine Familie, sein Regime und sein Vermächtnis in großer Zahl ab.
Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und Irreführung stehen die Libyer jetzt vor der Herausforderung dieses faule Vermächtnis loszuwerden. Sie müssen darum kämpfen, sich von Paranoia, Schlechtigkeit und Verzerrung zu befreien. Andrew Solomon vom New Yorker fasst das Problem so zusammen: Die Libyer "mögen sich von Gaddafis Unterschlagungen und Brutalität erholen, aber es wird lange dauern, bis das Falsche im Leben der Großen Sozialistischen Jamahiriya der Libyschen Araber verblasst".
In der Tat.