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Israels Wahlen zur Knesset werden zwar als Referendum über den Friedensprozess bezeichnet, sind es aber nicht. Diese Frage ist schon entschieden. Der Oslo-Prozess geht unvermindert weiter, denn das ist es, was die israelische Wählerschaft will – nicht, weil Premierminister Netanyahu schwach ist oder die amerikanischen Regierung ihn unter Druck setzt.
Fünf Jahre Erfahrung zeigen, dass eine erhebliche Mehrheit der Israelis wollen, dass der Oslo-Prozess fast ohne Bezug zum palästinensischen Verhalten weiter geht. Die Frage der Erfüllung [vertraglicher Verpflichtungen] stellt sich praktisch nicht mehr.
Warum? Der Schlüsselfaktor ist ein tief empfundenes Gefühl der Müdigkeit. Mit Ausnahme der praktizierend Religiösen sprechen Israelis fast mit Verzweiflung darüber, wie unangenehm es ist, die Palästinenser unterdrücken zu müssen, im Militär dienen zu müssen und – weiter gefasst – im Sumpf eines Jahrhunderte alten Stammeskonflikts zu versinken.
Statt dessen wollen sie modernen und aufregenderen Dingen nachgehen – dem Internet, Bewässerungstechnologie, modernsten sozialen Experimenten oder anderen Annehmlichkeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Diese Sehnsucht nach Entspannung führt dazu, dass man bereit ist alles zu versuchen, sogar die eher unwahrscheinliche These auszuprobieren, dass das Ignorieren der Aggressionen der Palästinenser diese dazu veranlassen könnte, sich zu beruhigen und Israels Existenz zu akzeptieren. Wenn sie zu Wohlstand kommen, so denkt man, wenn sie Grund für Zukunfthoffnung haben, dann ist es wahrscheinlicher, dass sie zu zivilisierten Nachbarn werden.
Seit der Bahn brechenden Vereinbarung von 1993 gründeten sich die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern auf einen einfach Handel. Israel gewährte den Palästinensern die Kontrolle über ihr Leben. Im Gegenzug akzeptierten die Palästinenser die dauerhafte Existenz des jüdischen Staates. Israel, der Kriegssieger, gibt den Verlierern materielle Vorteile; die arabische Seite muss lediglich versprechen, sich ordentlich zu benehmen.
Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Israel muss als gesetzestreue Demokratie tun, was es sagt, denn seine Bürger verlangen genau das. Und tatsächlich leben nun rund 97% der Palästinenser unter der palästinensischen Autonomie. Sicher, Israel hat seine Versprechen nicht zu 100 Prozent erfüllt, es hat sie auch nicht immer rechtzeitig erfüllt, aber es ist seinen Versprechungen im Wesentlichen nachgekommen.
Wie sieht es bei den Palästinensern aus? Ja, sie nehmen an gemeinsamen Sicherheitspatrouillen teil und äußern manchmal friedliche Absichten. Aber diese positiven Zeichen werden fast erdrückt durch die riesige Zahl ihrer Verstöße. Yassir Arafats Reden wimmeln von Anspielungen auf den Jihad. Das Logo der PA beinhaltet ganz Israel, was andeutet, dass sie letzten Endes die Beseitigung des jüdischen Staates anstrebt. Der PA-Fernsehsender zeigt kleine Kinder, die Hymnen voller kriegerischer Drohungen und gewalttätiger Rhetorik singen. Umfrage-Daten zeigen, dass die Bevölkerung äußerst unwillig ist, zwischenmenschliche Bande mit ihren israelischen Nachbarn zu knüpfen.
Noch schlimmer: Die PA bringt ein großes Arsenal von durch die Vereinbarungen verbotenen Waffen ins Land. Es gibt auch Hinweise, dass die PA – wieder den Vereinbarungen zum Trotz – mit der Herstellung von Waffen begonnen hat. Nicht ohne Grund schließen israelische Behörden daraus, dass die PA sich auf Krieg vorbereitet.
Wenn ein Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, hört unter normalen Verhältnissen die andere Seite auf, die ihren zu erfüllen. In diesem Fall findet etwas Seltsames statt: Die Israelis haben sich allgemein dazu entschieden diese düstere Akte der Palästinenser zu ignorieren. Statt dessen übergeben sie weiter Territorium und andere Unterstützung. Statt den offensichtlichen Schritt zu tun, die Verhandlungen zu stoppen, bis die Palästinenser so handeln wie versprochen, betrachten die Israelis das palästinensische Verhalten als akzeptabel. Sie beschweren sich über palästinensische Übertretungen und manchmal verlangsamen sie die Verhandlungen, aber im entscheidenden Moment machen sie immer den nächsten Schritt und unterschreiben weitere Vereinbarungen, belohnen immer weiter.
Nichts zeigt dieses Muster so deutlich wie die israelische Bereitschaft, dreimal über dieselben Zugeständnisse durch die Palästinenser zu verhandeln, in Vereinbarungen, die 1993, 1997 und 1998 unterschriebenen wurden. Herr Arafat versprach feierlich, viele Sätze in der palästinensischen Nationalcharta zu annullieren, die zur Vernichtung von Israel aufrufen. Es war nötig, dass Präsident Clinton nach Gaza kam, um das zu erreichen.
Überraschend ist dabei nicht, dass die Palästinenser die israelische Geduld ausnutzen, sondern dass die Israelis sich das gefallen lassen. Der Staat hat den Ruf Sicherheitsfragen zu betonen, wenn man aber näher hinsieht, stellt sich heraus, dass in man in Wirklichkeit über fast jedes terroristische Tun hinweg sieht. Während der Verhandlungen in Wye ging z.B. in Gaza eine Bombe hoch, die einen Soldaten tötete. Netanyahu sagte, er würde die Verhandlungen abbrechen. Einige Tage später unterschrieb er eine Vereinbarung. Wiederholt verkündeten die Israelis, dass sie die palästinensischen Übertretungen nicht länger akzeptieren könnten, nur, um es dann kurz darauf doch zu tun.
Dieses verwirrende Verhalten ist das Ergebnis eines Beinahe-Konsenses innerhalb des israelischen Gemeinwesens, ohne Berücksichtigung palästinensischer Übertretungen weiter voran zu gehen. Der Oslo-Prozess bleibt mit einem Verhältnis von 4 : 1 in Israel populär. So wirft der Sturz der Regierung Netanyahu nur die Frage auf, welcher Politiker Premierminister wird und bei zukünftigen Verhandlungen das Tempo vorgibt – nicht, wie diese Verhandlungen ausgehen.
Die Auswirkungen dieses Konsenses sind nicht gerade vergnüglich. Wenn die Israelis darauf bestehen, das Hirngespinst der kooperierenden Palästinenser dadurch aufrecht zu erhalten, dass sie sie bereichern, dann werden sie sich früher oder später nicht nur einem überwältigend feindseligen Volk gegenüber sehen, sondern einem, dem dann weitaus größere Mittel zur Verfügung stehen. Irgendwann wird die Israelis begreifen, dass sie, so unangenehm die Aussicht ist, ihre alte Abschreckungs-Haltung wieder einnehmen müssen. Sie werden keine Wahl haben, als die sich an die eintönige, aber effektive Politik zu halten, dass jeder, der sie bedroht, für seine Aggressivität teuer bezahlen muss.
Das ist die schlechte Nachricht. Die gute ist, dass dieser harte Ansatz der ist, der eines Tages zum Erfolg führen wird. Die Palästinenser werden das Bestehen Israels anerkennen. Das könnte Jahrzehnte oder noch länger dauern. Wenn das passiert, dann wird die Zeit reif sein Großmut zu zeigen. Bis dahin ist die verfrühte Schlussfolgerung, dass die Palästinenser den Konflikt eingestellt haben, während das in Wirklichkeit nicht der Fall ist, mit Sicherheit nur ein Rezept für Ärger.