Warum überfiel Saddam Hussein den Iran im September 1980? Nach vielen Jahren der Diskussion einigte sich die informierte Meinung schließlich darauf, dass seine Motive defensiver Natur waren – um iranischen Bemühungen sein Regime zu stürzen zuvor zu kommen. Nun, dieses Argument mag vor der Invasion Kuwaits überzeugend geklungen haben; aber der Vier-Stunden-Krieg enthüllte Saddams ehrgeiziges Streben den Persischen Golf zu dominieren. Im Nachhinein ist nun klar, dass sein Angriff auf den Iran ein Versuch war, in einem Augenblick offensichtlicher iranischer Schwäche Öl und Territorium in die Hände zu bekommen – und das ist in keiner Weise defensiv.
Dies ist nicht das einzige Allgemeingut, das durch den Angriff vom 2. August über den Haufen geworfen wurde. Die Nahost-Politik ist durch diese Krise auf Vordermann gebracht worden. Hier sind sieben weitere landläufige Meinungen, die Saddam Hussein an diesem Morgen vernichtete.
Zerstörung der irakischen Nuklearanlagen durch Israel: Erinnern Sie sich an die weltweite Empörung über Israel im Juni 1981, nachdem die Israelis die Anlagen in Osirak bombardierten? Der UN-Sicherheitsrat verkündete einstimmig seine Verurteilung; Washington hielt demonstrativ seine Waffenlieferungen an Israel zurück. Ein Jahrzehnt später sieht der Schlag allerdings ziemlich gut aus. Wäre Saddam Hussein während des Kriegs mit dem Iran mit Atomwaffen ausgerüstet gewesen, würde nun ein Großteil Teherans in Schutt und Asche liegen und große Teile des Iran vom Irak annektiert worden sein. Und die irakischen Streitkräfte könnten direkt von Kuwait aus nach Saudi Arabien weiter marschiert sein – lange bevor amerikanisches Militär hätte eintreffen können. Heute könnte Saddam bereits fünf der ölreichen Länder kontrollieren und damit mehr als die Hälfte der Welt-Ölreserven. Das Ergebnis wäre eine wirtschaftliche Katastrophe; und amerikanische Truppen hätten keinen guten Ort gehabt, an dem sie landen konnten.
Saddams Ambitionen: Wer hatte recht, das American Israel Public Affairs Committee oder die arabische Lobby? Pro-israelische Elemente lagen mit ihrer Sorge richtig, dass die Waffen in unfreundlichen Händen landen könnten, denn genau das passierte mit einem Großteil des kuwaitischen Arsenals. Sie hatte auch recht mit ihrer Argumentation, dass die Saudis einer externen Bedrohung nicht allein Stand halten können. Natürlich haben die amerikanischen Truppen sehr davon profitiert, dass sie voll ausgerüstete Basen auf saudischem Boden vorfanden. Die Lehre daraus ist klar: Verkauft den Saudis alle militärische Infrastruktur, die sie haben wollen, und verleast ihnen die Flugzeuge und Panzer.
Der Spion Jonathan Pollard: Verteidigungsminister Caspar Weinberger meinte, dass Pollard hätte erschossen werden sollen", weil er US-Geheimnisse an Israel weiter gab. Es gibt keine Rechtfertigung für einen Spion, aber man sollte doch anmerken, dass viele der von Pollard an die Israelis gegebenen Informationen den Irak betrafen, insbesondere Saddams Chemiewaffen-Fähigkeiten. Das sieht nicht länger ganz so verbrecherisch aus, wie Weinberger es empfand.
Dann gibt es die Palästinenser-Frage.
Arafats Friedensinitiative: Im Dezember 1988 akzeptierten Außenminister George Schulz und viele andere (einschließlich der israelischen Linken) Yassir Arafats Verzicht auf Terrorismus und seine Anerkennung der Existenz Israels. Das führte zur Eröffnung eines Dialogs zwischen den USA und der PLO. Aber Arafats glühende Unterstützung der Invasion durch den Irak und der Annexion Kuwaits strafen diese freundlichen Bekundungen Lügen. Das ist also die Art und Weise, wie er eine Regierung belohnt, die lange seine Sache unterstützte; wie können wir von einer israelischen Regierung erwarten, dass sie glaubt, die PLO würde in Frieden mit ihrem Erzfeind Israel leben?
Die palästinensische Intifada: Seit sie im Dezember 1987 begann, wurde die Rebellion gegen Israel weit gehend als DAS zentrale Ereignis im Nahen Osten verkauft. Aber in Steine zu werden und Knochen zu brechen verlor in dem Moment seine Dringlichkeit, als Hunderttausende irakische und amerikanische Soldaten sich im arabischen Sand gegenüber standen. Dass zweieinhalb Jahre Intifada derart gründlich ins Abseits gestellt werden konnten, zeigt ihre relative Unbedeutendheit für die Nahostpolitik auf.
Die Zentralität der palästinensischen Frage: Die Schwäche dieses Arguments ist endlich entlarvt worden. Bewaffnete Konflikte, zivile Unruhen und unterbrochene Ölversorgung gibt es unabhängig vom arabischen Konflikt mit Israel und würden selbst dann bleiben, wenn das Problem gelöst wäre.
Die wirkliche Frage, das sehen wir jetzt, ist das Verhalten vieler arabischer Staaten – das Fehlen demokratischer Legitimität, der brutale Umgang mit den eigenen Bürgern, ihre unnachgiebige Feindschaft gegenüber Israel und ihre Zögerlichkeit internationale Grenzen anzuerkennen. Israel kann nicht länger als die große Bedrohung der Araber dargestellt werden; die Ereignisse des August zeigen, dass das Problem, dem sich die Araber gegenüber sehen, nicht die USA oder Israel sind, sondern ihre eigenen Herrscher.