Nein, es sind nicht ISIS oder die tobenden schiitischen Milizen. Es sind der Mossul-Damm, der größte des Irak, und sein möglicher Einsturz, der eventuell zu Millionen Toten führt. Eingeweihte machen sich Sorgen, dass die Katastrophe dieses Frühjahr eintreten könnte, wenn der Schnee schmilzt und einen unkontrollierbaren Wasserdruck aufbaut.
Der Mossul-Damm aus der Luft gesehen. |
Hastig in Kriegszeiten für den Diktator Saddam Hussein von einem deutsch-italienischen Konsortium gebaut, wurde der Mossul-Damm an dem Ort gebaut, an dem er sich befindet, weil Husseins Kumpane aus dieser Gegend kamen und ihre Verbindungen nutzten - trotz der Tatsache, dass Ingenieure von Anfang an wussten, dass sein poröser Gipsgrund einen solch hohen Bau nicht würde tragen können.
Was damals der Saddam-Damm hießt, wurde 1984 eröffnet und benötigte innerhalb von zwei Jahren ständiges Vergießen, sprich Tag und Nacht Infusionen mit jeder Menge mikrofeinem Zement - im Verlauf der Jahrzehnte 200 Millionen Pfund - um seinen Einsturz zu verhindern. Das Vergießen sorgt dafür, dass das Problem mit dem Fundament sich nicht weiter verschlimmert, löst es aber auch nicht.
Beschäftigte arbeiten an der Stärkung des Mossul-Damms; 3. Februar 2016 |
Die Jahre vergingen; zum Glück gab es keine Katastrophe während die Amerikaner die Verantwortung hatten. Damals eroberte während eines schicksalhaften Zeitraums von zehn Tagen (vom 7. bis 17. August 2014) der Islamische Staat (ISIS) den Damm. Weder sabotierte die Gruppe den Damm noch sprengte sie das Bauwerk, aber das Vergießen wurde sechs Wochen lang gestoppt und das ganze Reparatursystem - besonders die Facharbeiter und die Versorgung mit Zement - war fortan weniger stetig.
Als Ergebnis davon ist der Damm während der letzen 19 Monate kontinuierlich schwächer geworden, bis zu dem Punkt, an dem Experten sich Sorgen machen, dass ein Anstieg des Frühjahrswassers ihn überfordert und zu seinem Einbruch führt. Dass die beiden Notfall-Fluttore des Damms gebrochen sind und nicht geöffnet werden können, um den immensen Druck zu verringern, macht die Lage noch angespannter.
Die Folgen eines Einbruchs sind erschreckend: Eine 15 bis 20 Meter hohe Wasserwand würde innerhalb von rund vier Stunden Mossul erreichen, eine Stadt mit etwa einer Million Einwohnern. Dann würde sich die Flut das Tal des Tigris und damit über andere Städte, einschließlich der Hauptstadt Bagdad hinab wälzen, bevor sie in einer breiten Flut auseinander läuft. Einer riesigen Zahl sofortige Opfer würden Dürre, Seuchen, fehlender Strom, Chaos und Verbrechen folgen, die Elend und Todesfälle von biblischem Ausmaß garantieren.
Jahre lang hielten stilles Vergießen und unbekümmerte Zusicherungen die Unsicherheit des Mossul-Damms im Dunkeln. Aber seit Anfang 2016 verstärkt aus der US-Regierung kommender Alarm, der sich in erster Linie auf Schätzungen des Pionier-Corps der US Army stützt, scheinen endlich die Iraker den Gefahren gegenüber aufgeweckt zu haben, denen sie sich ausgesetzt sehen. Die US-Botschaft in Bagdad hat sogar ein höchst ungewöhnliches "Mosul Dam Preparedness Fact Sheet" (Faktenblatt Bereitschaft Mossul-Damm) mit Ratschlägen (leider auf Englisch) ausgegeben, das Evakuierungsschritte, Bildungsbedarf und Hilfsbemühungen enthält.
Im Gegensatz dazu veröffentlicht die irakische Regierung einen Strom unaufrichtiger Zusicherungen, dass es keine Probleme gibt. Mohsen al-Shimari, der irakische Minister für Wasserressourcen und für den Damm verantwortlicher Offizieller, sagt: "Die Gefahr ist nicht unmittelbar, sie ist weit weg. Die Gefahr beträgt 1 zu 1.000" (was an sich schon ein inakzeptables Risiko ist). Oder er besteht darauf, dass der Mossul-Damm "in keiner größeren Gefahr" ist als andere Dämme. Zu anderen Zeiten behauptet er sogar: "Es gibt kein Problem in dem Damm, das zu seinem Einbruch führen könnte." Beachten Sie die Widersprüchlichkeiten, die selbst ein Zeichen eines falschen Spiels ist.
Entsprechend dieser unverantwortlichen, geradezu kriminellen Lässigkeit haben die irakischen Behörden so gut wie nichts getan, um sich auf einen möglichen Einbruch vorzubereiten. Ja, sie behaupten, dass es einen Ausweichplan gibt, aber niemand hat ihn gesehen, schon gar nicht seine Einzelheiten erfahren; welchen Nutzen kann er also in einer Krise haben? Ja, sie haben einen $300 Millionen teuren Handel mit Trevi unterzeichnet, eine italienischen Firma, die den Damm reparieren und instand halten soll, aber das ist bloß ein Wundpflaster, keine langfristige Lösung.
Um die Dinge noch zu verschlimmern, rackert sich die am meisten gefährdete Stadt, Mossul, unter der Herrschaft des apokalyptischen Islamischen Staats ab, dessen Missachtung des menschlichen Lebens und extreme Feindlichkeit gegenüber der äußeren Welt sowohl die Krisenplanung als auch internatinale Hilfe zunichte macht. Aber es gibt hier einen Silberstreif am Horizont: Die monströse Herrschaft von ISIS hat die Bevölkerung von Mossul veranlasst von 2,5 Millionen vor zwei Jahren auf heute rund 1 Million zurückzugehen, was die Zahl der potenziellen Opfer dort reduziert.
Angenommen der Damm übersteht die Schneeschmelze diesen Jahres, dann gibt es nur eine einzige langfristige Lösung: Den Badusch-Damm unterhalb des Mossul-Damms zu vollenden, der die Folgen eines Einbruchs abschwächen wird. Dieser Hilfsdamm, dessen Bau kurz nach dem Start des Vergießens im Jahr 1986 begann, wurde 1990 gestoppt; er wird 10 Milliarden US-Dollar kosten, die auszugeben die irakische Regierung sich nicht leisten kann. Er muss aber im Land höchste Priorität bekommen.
Daniel Pipes (www.DanielPipes.org) ist Präsident des Middle East Forum
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