Jordaniens König Abdallan II. am 3. Februar zu Besuch bei Präsident Donald Trump. |
"Wir stecken in großen Schwierigkeiten." Das sagte Jordaniens König Abdallah vor einem halben Jahr. Eine gerade beendete Woche intensiver Reisen und Diskussionen durch ganz Jordanien konnte keinen Widerspruch zu dieser Einschätzung feststellen. Jordanien mag nicht länger hyper-verletzlich sein und unter Belagerung stehen, wie es in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war; aber es sieht sich möglicherweise nie da gewesenen Problemen gegenüber.
Das Emirat Transjordanien wurde 1921 von Winston Churchill aus dem Nichts geschaffen, um britischen imperialen Interessen Rechnung zu tragen; heute hat das haschemitische Königreich Jordanien fast ein Jahrhundert lang ein labiles Dasein geführt. Besonders gefährliche Momente gab es 1967, als panarabischer Druck König Hussein (regierte von 1952 bis 1999) dazu brachte Krieg gegen Israel zu führen und das Land die Westbank verlor; 1970 stürzte eine palästinensische Revolte ihn beinahe; und 1990/91 trieben ihn Pro-Saddam-Hussein-Gesinnungen dazu sich einer hoffnungslosten und bösen Sache anzuschließen.
Winston Churchill (6. von links) macht 1921 eine Pause von der Gründung Transjordaniens. |
Die heutigen Gefahren sind vielfältig. ISIS lauert in Syrien und dem Irak, direkt jenseits der Grenze und ist für eine kleine, aber starke Minderheit der Jordanier attraktiv. Der einst starke Handel mit diesen beiden Ländern ist fast zum Erliegen gekommen – womit Jordaniens lukrative Transitrolle verlor. In einer Region, die reichlich Öl- und Gasvorkommen hat, ist Jordanien eines der wenigen Länder, die fast keine Erdölressourcen besitzen. Stadtbewohner bekommen nur einen Tag die Woche Wasser und wer auf dem Land lebt oft sogar noch weniger. Der Tourismus ist Dank der berüchtigten Unbeständigkeit des Nahen Ostens zurückgegangen. Dass der König vor kurzem seine Autorität durchsetzte, kommt bei denen, die mehr Demokratie fordern, nicht gut an.
Die Kernfrage der Identität bleibt ungelöst. Als Land massiver und wiederholter Immigration, die seit mehr als hundert Jahren stattfindet (und die Zahlen derer, die nach Israel gingen sogar übertrifft), hat es Wellen an Palästinensern (1948/49, 1967 und 1990/91), Irakern (2003) und Syrern seit (2011) aufgenommen. Die Palästinenser, so stellen die meisten Schätzungen fest, bilden eine beträchtliche Mehrheit der Bevölkerung des Landes und weisen die tiefste Spaltung auf. Es ist üblich von "Jordaniern" und "Palästinensern" zu reden, obwohl letztere Staatsbürger und die Enkel von Staatsbürgern sind. Wie das nahe legt, hat das Gefühl sich von den zumeist vorhandenen Stammesvölkern der Eastbank zu unterschieden und ihnen überlegen zu sein, im Verlauf der Zeit nicht nachgelassen, besonders nicht, da die Palästinenser wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen haben.
Jordaniens König Abdallan II. am 3. Februar zu Besuch bei Präsident Donald Trump. |
Auch die Stärken des Landes sind beeindruckend. Umgeben von Krisen ist die Bevölkerung realistisch und sehr achtsam, was Ärger angeht. Der König erfreut sich einer unangefochtenen Autoritätsposition. Mischehen untergraben die historische Teilung des Landes zwischen Palästinensern und Stammesangehörigen – etwas, was der Zustrom an Irakern und Syrern weiter aushöhlt. Die Bevölkerung erfreut sich eines hohen Bildungsstandards. Jordanien genießt weltweit einen guten Ruf.
Dann ist da Israel. "Wo sind die Früchte des Friedens?", ist ein üblicher Kehrvers wegen Jordaniens Friedensvertrag mit Israel aus dem Jahr 1994. Politiker und Presse mögen das nicht sagen, aber die Antwort ist blendend offensichtlich: Ob es die Nutzung Haifas als Alternative zur syrischen Landroute ist, der Kauf von günstigem Wasser oder die Versorgung mit jeder Menge Gas (das bereits geliefert wird) – Jordanien profitiert direkt und beträchtlich von seinen Verbindungen zu Israel. Trotz alldem hat im Verlauf der Zeit ein perverser sozialer Druck gegen "Normalisierung" mit Israel zugenommen, mit dem absolut jeder eingeschüchtert wird und der die Beziehungen zum jüdischen Staat daran hindert sein Potenzial auszuschöpfen.
Israels Botschaft in Amman ist von anderen Gebäuden isoliert und wird von einschüchternden jordanischen Sicherheitskräften geschützt. |
Ein Jordanier frage mich, warum Israelis es akzeptieren, wie eine Mätresse behandelt zu werden. Die Antwort ist klar: Weil Jordaniens Wohlergehen für Israel eine vorrangige Priorität besitzt, daher akzeptieren aufeinander folgende Regierungen, wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen, die Verleumdungen und Lügen die in der Presse und auf der Straße über das Land erzählt werden. Obwohl sie zu höflich sind das zu sagen, wünschen sie sich eindeutig, dass der König sich der Sache annimmt und auf den Nutzen des Friedens hinweist.
Eine persönliche Anmerkung: Seit 2005 habe ich für "Jordanien für die Westbank, Ägypten für Gaza: die Dreistaatenlösung" als Weg für die Lösung des Palästinenserproblems geworben. Entsprechend befragte ich fast alle meine 15 Gesprächspartner (die eine große Bandbreite an Ansichten repräsentierten) zu einer Rückkehr zur jordanischen Souveränität über die Westbank. Ich bedauere berichten zu müssen, dass jeder einzelne von ihnen die Idee lauthals ablehnte. "Warum", schienen sie alle zu sagen, "sollten wir uns diesen Kopfschmerz antun?" Ihr negatives Urteil zu akzeptieren bedeutet, dass Israel keine praktische Lösung für sein schwieriges Westbank-Problem hat; entsprechend wird seine widerwillige und unerwünschte Souveränität über Palästinenser wahrscheinlich bis in ferne Zukunft weitergeführt werden.
Fasst man den Besuch zusammen, so ergibt sich: Jordanien hat sich durch viele Krisen durchgewurstelt; es wird das wohl wieder tun, aber die Verkettung der aktuellen Gefahren stellt für Jordanien und die, die ihm Gutes wünschen, eine außergewöhnliche Herausforderung dar. Wird König Abdallah diesen "schweren Zeiten" gewachsen sein?