Wien – Bei den österreichischen Wahlen vom Dezember 2017 gab es etwas nie da Gewesenes – und kaum jemand außerhalb des Landes nahm davon Notiz. Zum ersten Mal übernahm in Westeuropa eine Regierung das Amt, die eine Anti-Immigrations- und Anti-Islamisierungspolitik vertritt.
Die Parteichefs von FPÖ und ÖVP, Strache und Kurz |
Die Regierung besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Parteien, die zusammen 58 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielten: die absolut zum Establishment gehörende, sehr verhalten konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die populistische, hitzköpfige Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), deren Wurzeln im Rechtsaußen-Sumpf des deutschen (nicht österreichischen) Nationalismus liegen.
Die Koalitionsvereinbarung der beiden Parteien ist der Traum eines jeden Antijihadisten. Mit der Unterscheidung zwischen Islamismus (den sie "politischen Islam" nennt) und der Religion des Islam wird kühn neues Gelände abgesteckt:
"Österreich gewährleistet die Glaubens- und Religionsfreiheit, aber bekämpft den politischen Islam. Unter politischem Islam versteht man Gruppierungen und Organisationen, deren ideologisches Fundament der Islam ist und die eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Grundordnung bis hin zur Ablehnung unseres Rechtsstaates im Sinne einer Islamisierung der Gesellschaft anstreben. Der politische Islam, der zu Radikalisierung, Antisemitismus, Gewalt und Terrorismus führen kann, hat keinen Platz in unserer Gesellschaft."
Die Vereinbarung fordert die Umsetzung dieses Programms "vom ersten Tag an"; das Ziel lautet Stärkung "österreichischer Werte, Traditionen und Kultur".
Als jemand der Immigration und Islamisierung (im Weiteren als I&I angegeben) als Schlüsselthemen der Zukunft Europas betrachtet, reiste ich nach Wien, um mich in die Diskussionen um die Erfüllung der großen antiislamistischen Versprechungen der Regierung nach ihren ersten hundert Tagen einzutauchen. Eine Woche später verließ ich Wien eher ratlos. Das Thema ist kaum in Erscheinung getreten und es hat sich bislang wenig geändert. Tatsächlich zeigte niemand, mit dem ich sprach, großes Interesse daran.
Ich entdeckte, dass stattdessen ein anderes Thema Leidenschaft erzeugt: die Aufnahme der FPÖ in die Regierung. Das hat auch europaweit Bedeutung, denn es lässt wahrscheinlich zukünftige Auseinandersetzungen darüber erahnen, dass Konservative in Ländern wie Frankreich, Deutschland und Schweden sich mit Populisten verbünden. Die FPÖ hat viel mit ihren europäischen Pendants gemeinsam, auch wenn sie (1959 gegründet) die älteste derartige Partei ist und bereits – das ist einzigartig – dreimal Regierungskoalitionen unterstützt hat oder in sie eingetreten ist (1970/71, 1983-1986, 2000-2006).
Die der FPÖ feindlich Gesinnten betonen ihre Nazi-Ursprünge, ihre "Ressentiment-Politik" und ihre antiwestliche Einstellung. Die ihr wohl Gesonnenen weisen auf ihre exakte Zivilisationskritik, ihre positive Entwicklung und die weit größere Gefahr des Islamo-Faschismus hin.
Meine Einschätzung: Die FPÖ bringt Realismus, Mut, Extremismus und Exzentrik ein; sie hat noch einen langen Weg vor sich, bis sie eine normale Partei ist. Die Bemühungen der Führung ein Problem wie den Antisemitismus anzugehen (Yad Vashem zu besuchen oder die Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem zu fordern) sind bei den einfachen Mitgliedern nicht gut angekommen.
Aber ich trete dafür ein mit der FPÖ zu arbeiten, sie nicht auszugrenzen; dafür gibt es vier Gründe.
Arik Bauer spricht im März 2018 über den Anschluss von 1938 |
Erstens sagte der 89-jährige jüdische Künstler Arik Brauer (der den Anschluss 1938 persönlich miterlebte) anlässlich des 80. Jahrestags der deutschen Annektierung Österreichs, er sei weniger besorgt wegen der idiotischen antisemitischen Lieder, die von Burschenschaftlern gesungen werden, als von den 250 Millionen Arabern, die ihn "unter der Erde" sehen wollen. Er hat recht.
Zweitens hat eine politische Partei keine DNA oder ein Wesen; sie kann sich verändern und sein, was ihre Mitglieder aus ihr machen. (Bedenken Sie, wie sich die Demokratische Partei der USA in der Rassenfrage änderte.)
Drittens steigt überall in Europa die Popularität der auf die I&I-Krise fokussierten Parteien, weil sie einen wichtigen und zunehmenden Teil der Meinung repräsentieren. Sie können weder verscheucht noch ignoriert werden.
Viertens spielen die FPÖ und gleichartige Parteien eine wichtige Rolle dabei die I&I-Themen nach vorne zu bringen: Ohne sie ignorieren andere Parteien I&I prinzipiell. Mir wurde gesagt, dass die massive Immigrantenwelle durch Österreich 2015/16 bedeutet, dass eine Koalitionsvereinbarung zwischen den Konservativen und der SPÖ, dem drittgrößten Spieler in der österreichischen Politik, genau so ausgesehen wäre wie oben zitiert. Ausgeschlossen. Linke Parteien verharren nicht nur tief in Leugnung des Problems, sondern verbünden sich oft mit Islamisten. Österreichs konservative Partei übernahm Politik zu I&I nur, um ihre Stimmverluste an die FPÖ zu stoppen; darüber hinaus gab sie das I&I-Portfolio an die FPÖ nur im Tausch gegen die Einwilligung der FPÖ in den Wirtschaftsfragen ab, die sie am meisten bewegen.
Bei allen Unzulänglichkeiten sind auf I&I konzentrierte Parteien ein Schlüssel dafür, dass Europa Teil der westlichen Zivilisation bleibt. I&I ist nicht nur drängender als Neofaschismus; Letzterer ist leicht zu erledigen, während I&I zu massiven, nicht reparierbaren und dauerhaften Schäden führt.
Nachträge vom 5. April:
Nachdem dieser Artikel an die Presse ging, kamen Nachrichten, dass die Regierung ein Verbot des Hijabs für Mädchen im Alter unter 10 Jahren in Schulen vorschlägt, wie sie selbst einräumt ein "symbolischer Akt".
Ich erfuhr in Wien eine Menge, das nicht in die Rahmenbedingungen des kurzen Artikels oben passt. Einige Ergänzungen:
Es macht mich stutzig, dass die FPÖ weit vor den anderen westeuropäischen Anti-I&I-Parteien liegt, was den Zugang zur Macht angeht, denn das Islamisierungsproblem ist nicht besonders akut. Österreichs muslimische Bevölkerung besteht zumeist aus Immigranten aus dem Balkan und der Türkei, die kulturell die europäischsten Muslime sind und damit die, die sich am bereitwilligsten assimilieren. Die wichtigsten Beschwerden gegen sie betreffen nicht den Jihad, weibliche Genitalverstümmelung oder die Scharia, sondern eine dürftige Arbeitsmoral. Eine (unplausible) Erklärung, die ich für Österreich an vorderster Front hörte, war "1683", ein Verweis auf das Jahr der zweiten osmanischen Belagerung von Wien; dass die Österreicher und ihre Verbündeten diese Schlacht gewannen, macht sie zu einem unwahrscheinlichen Ansporn. Plausiblere Erklärungen sind: Österreichs muslimische Bevölkerung macht fast 10 Prozent der 9 Millionen Einwohner des Landes aus und nimmt rasch zu. Schulen, Krankenhäuser und das Rentensystem werden schwer belastet, während sexuelle Übergriffe sich vervielfacht haben.
Die osmanische Belagerung von Wien ist weder vergessen noch sonderlich relevant. |
Damit in Zusammenhang steht, dass die Österreicher, als die türkische Zuwanderung in den 1960-er Jahren begann, sich nur schwach bewusst waren, dass es sich um Muslime handelt, weil die Türkei ein erzsäkularer Staat war, der danach strebte sich in Europa zu integrieren.
Ich verwies in dem Artikel auf die "antiwestliche Anschauung" der FPÖ. Einige genauere Angaben: Sie ist gegen Wirtschaftssanktionen gegen Russland, unterschrieb ein Kooperationsabkommen mit Putins Partei und unterstützte die russische Annexion der Krim. Sie unterstützt zudem den serbischen Anspruch auf Bosnien, die Republika Srpska.
Anti-I&I-Parteien haben rivalisierende Ziele, die unweigerlich miteinander im Konflikt stehen: Sie wollen (1) ihre Länder für Immigration unattraktiv machen und (2) Geld für Bürger ausgeben, statt für Immigranten; aber sie wollen auch, (3) dass sich Immigranten integrieren, was Geld für Sprachkurse, Berufsausbildung, Kinderbetreuung und vieles mehr erfordert. Die FPÖ versucht diesen Widerspruch zu überlisten, indem sie feststellt, weil Asyl von Haus aus befristet ist, will sie, dass Asylsuchende sich nicht integrieren, sondern bereit sind nach Hause zurückzukehren.
Die SPÖ führte vor den Wahlen vom Oktober 2017 Geheimgespräche mit der FPÖ (im Haus von Martin Schlaff, einem reichen jüdischen Geschäftsmann) und hätte vielleicht eine Koalition mit ihr gebildet, hätte sie die Wahlen gewonnen. Auf manche Weise haben die Sozialdemokraten mehr mit der FPÖ gemeinsam, als diese mit der anderen Partei des Establishments hat, der ÖVP: Beide sind gegen die historische Monarchie des Landes, gegen die katholische Kirche und betrachten den Kapitalismus dunkel. Was die rot-blaue Koalition genannt wird, hätte jedoch die SPÖ sprengen können, weil NICHT mit der FPÖ zusammenzugehen ein Schlüsselelement ihres Wahlprogramms der letzten Jahrzehnte gewesen ist.
Kurt Waldheim 2005 |
Als sie betonte, dass auch die anderen Parteien Nazi-Elemente haben (am auffälligsten: Kurt Waldheim, von dem die US-Regierung feststellte, dass er "an [von den Nazis betriebener] Verfolgung beteiligt war", trat erfolgreich als ÖVP-Kandidat zum Präsidenten Österreichs an), kommt die interessante, aber oberflächliche Antwort: Ja, aber wenigstens versuchen sie diese Tatsache zu verbergen, während die FPÖ das nicht tut.
Einige besondere Ziele für die Regierung, wie sie von einem ÖVP-Abgeordneten vorgeschlagen wurden, um die Koalitionsvereinbarung zum Islamismus zu konkretisieren:
· Es wird darauf bestanden, dass Muslime österreichische Werte annehmen.
· Es wird auf freier Meinungsäußerung zum Islam bestanden.
· Abgelehnte Asylsuchende werden in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt.
· Das Gesetz von 2015 zur Regelung der Beziehungen zur islamischen Religion soll verbessert werden (ja, es gibt solch ein Gesetz; noch mehr überrascht aber, dass es eine Aktualisierung eines Gesetzes von 1912 ist).
· Von der von der Regierung anerkannten Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und weiteren islamischen Institutionen wird Transparenz gefordert.
· Halal-Handel soll in den Geltungsbereich des Österreichischen Normungsinstituts überführt werden.
Ich blieb ratlos zurück, ob die neue Regierung Schritte gegen I&I unternehmen wird oder nicht, aber mehrere antiislamische Aktivisten teilten mir die Gründe für ihre Skepsis mit:
· Die ÖVP gibt zu anti-I&I-Haltungen nur Lippenbekenntnisse ab, will aber nicht über den europäischen Konsens hinausgehen. Das bedeutet "weiter so", es gibt nichts Dramatisches voraus.
· Die Bundesregierung wird durch die Europäischen Union, die Bürokratie und die Justiz ziemlich eingeengt, die alle gegen Anti-I&I-Schritte sind. Ein Gesprächspartner ging so weit die Demokratie in Österreich als "Farce" zu bezeichnen.
· Über diese drei Machtzentren hinaus will das gesamte Establishment der 6 P (Polizei, Politiker, Presse, Priester, Professoren und Staatsanwälte Englisch: prosecutor]) keine Veränderungen haben.
· Die österreichische Bevölkerung ist trotz ihrer lautstarken Abstimmung für Antiimmigrationspolitik nicht auf das Thema konzentriert und drängt die Regierung nicht dazu etwas zu unternehmen.
· Es gibt zahlenmäßig relativ wenige Muslime, die sich nicht einpassen wollen – zumeist Tschetschenen und Afghanen.
· Jihadistische Gewalt tendiert dazu unter den Teppich gekehrt und ignoriert zu werden.
Bezüglich des letzten Punktes gibt es hier Informationen zu einem aktuellen Anschlag, der minimale Aufmerksamkeit erhielt, dazu etwas tiefgehenden Hintergrund, um den belasteten historischen Charakter Wiens zu illustrieren:
1875 baut der jüdische Händler Leon Mandi eine prächtige Villa für sich und seine Familie in den nahe gelegenen Außenbereichen des Wieder Zentrums, die ein anderer jüdischer Händler, der Margarine-Magnat Karl Blaimschein (1854-1933) ihm 1900 abkaufte. 1938 beschlagnahmten die Nazis das Haus von seiner aus dem Land geflohenen Familie. 1945 wurden in diesem Haus Geheimverhandlungen zur Bildung einer österreichischen Nachkriegsregierung geführt; es wurde später der Familie Blaimschein zurückgegeben. 1958 verkaufte diese das Haus an die Regierung des Iran, der es sechzig Jahre lang als Residenz des iranischen Botschafters in Österreich diente.
Die Villa Blaimschein in Wien |
Kurz vor Mitternacht am 11. März griff Mohamed E. (der volle Familienname ist nicht veröffentlicht worden), ein 26-jähriger einheimischer, in Österreich geborener Muslim, Sohn einer ägyptischen Zuwandererfamilie, einen Soldaten an, der vor der Residenz des iranischen Botschafters Wache stand; er stach wiederholt auf ihn ein. Der Soldat überlebte dank seiner stichsicheren Weste und verteidigte sich in dem entstehenden Handgemenge auf Leben und Tod anfangs mit Pfefferspray; als sich das als unzureichend erwies, schoss er viermal auf Mohamed E. und tötete ihn.
Was steckte hinter dem nicht provozierten Angriff, was war das Motiv? Nach der üblichen anfänglichen Verwirrung ergab sich ein klares Bild. Mohamed E. studierte Islam. Während seines Dienstes als Wehrpflichtiger in der österreichischen Armee hatte er die Genehmigung einen Bart zu tragen und fünfmal am Tag zu beten. Er folgte auf Facebook unter anderem dem Salafisten Pierre Vogel. Er sprach ständig von Mohammed, dem islamischen Propheten. Einen Tag nach dem Vorfall bestätigte die Polizei, dass Mohamed E. "eindeutig mit dem politischen Islam sympathisierte". Ungeachtet dieser Batterie an Fakten wurde mir nur zwei Wochen später wiederholt versichert, dass Österreich keinerlei Jihad-Gewalt erlebt hat.
Die Grafik der Washington Times zu diesem Artikel |