Es ist gängiger Brauch geworden darauf hinzuweisen, dass die alte Mauer des arabischen Antizionismus brüchig geworden ist. Ich habe das selbst getan. Aber schwelende Feinschaft gegenüber Israel könnte erneut explodieren.
Eine kurze Geschichte arabischer Einstellungen gegenüber dem jüdischen Staat stellt diese Gefahr in Kontext:
Amin al-Husseini 1929 |
Etwa 20 Jahre lang, von 1910 bis 1930, war Feindschaft gegenüber Zionisten ein lokaler Aufruhr von wenig Interesse für andere Arabisch Sprechende. Dann internationalisierte der Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, der schädlichste und einflussreichste Antizionist aller Zeiten, den Konflikt, indem er Alarme wegen angeblicher Gefahren für Jerusalem verschickte.
Panarabische nationalistische Gefühle veranlassten zahlreiche arabische Staaten sich militärisch ins Getümmel stürzten, um 1948 den neu unabhängigen Staat Israel zu eliminieren. Der Schock ihrer Niederlage (die Nakba) ließ in Ägypten und Syrien Regierungen stürzen und machte aus dem Antizionismus die potenteste politische Emotion des Nahen Ostens.
Die nächsten 25 Jahre lang, 1948 bis 1973 beuteten fast alle arabischen Staaten – mit der auffallenden Ausnahme von Tunesien – die Sache der Palästinenser aus, um die ihnen untertanen Bevölkerungen abzulenken und zu mobilisieren. Nichts anderes kam an Toxizität dieses Themas in Sachen Wut, Irrationalismus und Blutrünstigkeit gleich. Obwohl sie einen Krieg nach dem anderen verloren, darunter die einseitigste Schlappe in den geschichtlichen Aufzeichnungen (der Sechstage-Krieg von 1967) blieben Regierungen bei ihrem tödlichen Wahn.
Schließlich, nach dem Krieg vom Oktober 1973, veranlassten angehäufte Verluste eine Verschiebung in der Einstellung. Anwar Sadats bahnbrechender Besuch in Jerusalem 1977 bewies das erste wichtige Zeichen dafür, dass arabische Staaten militärischen Konflikt mit Israel zu schmerzhaft und gefährlich fanden. Andere folgten: ein fehlgeschlagener Friedensvertrag mit dem Libanon 1983, der dauerhafte Vertrag mit Jordanien 1994, verschiedene weniger bedeutsame diplomatische Verbindungen und die aktuelle Annäherung an Saudi-Arabien und die Scheichtümer am Persischen Golf. Auf Staatsebene folgten dann 25 Jahren periodischer Kriege 47 Jahre Zurückhaltung.
Anwar Sadat spricht 1977 vor Israels Parlament. |
Die Jahrzehnte hasserfüllter antizionistischer Propaganda hatten jedoch tiefgreifende Auswirkung auf die Bevölkerungen. Wenn erfahrene Staatslenker Kosten und Nutzen abwogen und zu dem Schluss kamen, Israel (militärisch) die Stirn zu bieten sei eine schlechte Idee, blieben ihre Untertanen weitgehend in einem Zustand der Rage gefangen. Zum Teil behielt dies den alten panarabischen Charakter bei, während dieser mit einer neuen, islamistischen Gehässigkeit gegenüber Juden gespickt wurde. Dieser irredentistische Geist bleibt am Leben und gefährlich.
Beweisstück A ist die aktuelle Präsidentenwahl in Tunesien. Tunesien sticht sowohl als das am wenigsten antizionistische arabische Land der vergangenen Jahrzehnte als auch heute als eines mit dem offensten und demokratischsten System heraus; seine Wahl hat daher übergroße Bedeutung als Gradmesser.
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Kais Saied, der den Spitznamen Robocop bekam. |
Unter fast durchgängiger Überraschung führte Kais Saied in beiden Wahlrunden; er gewann im September bei einem 26-köpfigen Kandidatenfeld 18 Prozent der Stimmen und triumphierte bei der Stichwahl im Oktober mit 73 Prozent. Das überraschte, weil der 61-jährige Saied seine gesamte Karriere als Professor für Verfassungsrecht verbrachte und null politische Erfahrung besaß; es überraschte, weil er eine hässliche, stocksteife, roboterhafte Gestalt mit widersprüchlichen, strengen und exzentrischen Ansichten ist. Sein schnell gesprochenes, aber ruhiges und ungewöhnlich formelles Arabisch macht ihn zu einer Kuriosität. Was trieb ihn also aus der Menge der Kandidaten zu einem massiven Sieg?
Der in Tunis ansässige Lamine Ghanmi stellte fest, dass Saieds Popularität "von seiner glühenden Haltung gegen Israel" gestärkt wurde, zu dem er annimmt, dass Tunesien sich mit dem jüdischen Staat "in einem Kriegszustand" befindet; Normalisierung mit ihm bezeichnete er als "großen Verrat".- Tausende feierten seinen Wahlsieg auf der Straße, hissten die Palästinenserflagge und forderten die Vernichtung Israels.
Andere stimmen dieser Einschätzung zu. Der tunesische Zeitungsverleger Assia Atrous stellt fest, dass Saied "sein Gefühl gegenüber den Palästinensern und ihrem nationalistischen Kampf frei zum Ausdruck brachte. Das machte für ihn gegenüber seinem Konkurrenten einen Unterschied." Der Akademiker Abdellatif Hanachi pflichtet bei: "Die Sache Palästinas war für ihn entscheidend. Sie veränderte das Spiel fundamental." Außerhalb von Tunesien sieht der ägyptische islamistische Politiker Osama Fathi Hammouda in Saieds Sieg "einen schweren Schlag für die arabische Normalisierung mit Israel".
Eine Bereitschaft Israel zu akzeptieren ist zu den Staaten des Golf-Kooperationsrats durchgesickert; weiter ist diese Verschiebung aber nicht gekommen. Solange sunnitisch-arabische Eliten Israel, wenn auch diskret, als nützlichen Verbündeten gegen die von Teheran ausgehende wahre Gefahr betrachten, solange werden diese antizionistischen Empfindungen im Zaum gehalten. Aber wenn diese Gemeinsamkeit schwindet, könnte der Hass alter Schule auf Israel nach palästinensischer Art tosend zurückkommen; und er wird elendige Folgen haben.
Das ist ein Grund mehr für die Israelis, mit amerikanischer Hilfe, den Konflikt zu beenden, indem sie einen Sieg anstreben, bei dem die Palästinenser veranlasst werden ihre Niederlage einzugestehen. Wenn die Palästinenser aufgeben, werden vermutlich andere Araber nicht lange auf ihrer Rage bestehen, sondern das irgendwann auch tun.