Wie üblich plünderten nach dem Ersten Weltkrieg die Sieger die Verlierer, besonders den deutschen. Die Sieger verlangten gewaltige Reparationszahlungen; gemäß eines Plans wären die deutschen Zahlungen bis 1988 weitergegangen. Dieser Plan stellte sich als katastrophal heraus, bereitete teilweise den Boden für das noch schlimmere Blutbad des Zweiten Weltkriegs.
Weil sie aus diesem Fehler lernten, machten es amerikanische Führungspolitiker 1945 anders: Statt zu plündern, unternahmen sie den radikalen und nie da gewesenen Schritt die besiegten Länder nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten wiederherzustellen.
Diese Innovation stellte sich als erstaunlich gelungen heraus; wie gehofft wurden Deutschland, Japan, Österreich und Italien frei, demokratisch und wohlhabend. (Es inspirierte auch Peter Sellers' Komödie "Die Maus die brüllte", in der ein verarmter Ministaat den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt, um von ihrer Großzügigkeit zu profitieren.)
Besiegte Feinde finanziell zu unterstützen wurde auch zur übernommenen, sogar Routine-Politik der Amerikaner und wurde als Pottery-Barn-Regel bekannt: "Machst du es kaputt, bezahlst du es." 2001 bis 2003, als die von den USA geführte Koalition zwei feindliche Regierungen stürzte – die Taliban in Afghanistan und Saddam Hussein im Irak – besetzten die Amerikaner ganz selbstverständlich diese zwei Länder, schrieben ihre Verfassungen um, bewaffneten und trainierten ihre Streitkräfte, förderte neue Führer und überschüttete sie mit Geld.
Aber 2001 bis 2003 unterschied sich auf sehr wichtige Weise grundlegend von 1945.
Erstens waren besonders die Deutschen und Japaner von langjährigen totalen Kriegen aufgerieben, von Jahren des Gemetzels zerstört, gedemütigt von langgezogenen Besatzungen und als Völker besiegt. Diese Schläge führten zur Duldung der Instandsetzung ihrer Gesellschaften und Kulturen nach dem Krieg. Im Gegensatz dazu gingen die Afghanen und Iraker fast unbeschadet aus ihren Kriegen mit Amerika hervor, die nur Wochen dauerten und geführt wurden, um verhasste Tyrannen zu stürzen, während möglichst wenige Zivilisten geschädigt wurden. Nach kurzen Feindseligkeiten fast unbeschädigt fühlten sie sich eher befreit als besiegt und waren nicht in der Stimmung sich von den Besatzungskräften sagen zu lassen, was sie zu tun haben. Entschlossen die Zukunft ihrer Länder zu gestalten, nahmen Afghanen und Iraker von ihren Herren das, was ihnen nutzte und lehnten mit Gewalt und anderen Formen des Widerstands ab, was ihnen nicht zusagte.
Frankfurt 1945; weder Afghanistan noch der Irak erlitten vergleichbare Zerstörung. |
Zweitens kämpften die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg um höchste Einsätze – ihre eigene Unabhängigkeit und Freiheit; diesen Krieg zu verlieren hätte für die Vereinigten Staaten unabsehbare Folgen gehabt. Im Gegensatz dazu war der Einsatz in den Fällen Afghanistan und Irak begrenzt, betraf nur einige anspruchsvolle politische Ziele; natürlich sorgten die Amerikaner sich weit weniger um den zukünftigen Kurs dieser Länder. Entsprechend gingen 1945 die Anstrengungen den amerikanischen Weg durchzusetzen weit über die von 2001 bis 2003 hinaus.
Drittens hatten Deutschland und Japan keine Nachbarn, die 1945 den Konflikt fortsetzten: Radiosender strahlten keine Propaganda aus, es wurden keine Waffen geschmuggelt, es drangen keine Guerillas ein, es griffen keine Selbstmordbomber an. Im Gegensatz dazu liegt der Iran westlich von Afghanistan und Pakistan im Osten. Syrien liegt westlich des Irak und der Iran im Osten und alle drei Länder bekämpften aktiv den amerikanischen Einfluss. Die Rückkehr der Taliban zeigt ihren offensichtlichen Erfolg.
Viertens: Als vorwiegend muslimische Völker lehnen Afghanen und Iraker nichtmuslimische Herrschaft erbittert ab, eine Haltung, die im Wesen des Islam verankert ist, der politischsten aller Religionen. In voller Übereinstimmung mit den heiligen Gesetzen des Islam, der Scharia, zu leben erfordert, dass der Herrscher Muslim ist, weil die Scharia schwer anzuwendende öffentliche Regeln enthält (für Steuern, Justiz, Kriegsführung usw. gelten), die nur ein Muslim voll umsetzen würde. Damit weckt, ob im Mittelalter oder in der Moderne, ob durch Christen, Juden oder Buddhisten, die Herrschaft von Nichtmuslimen intensiven Widerstand.
Diese Faktoren lösten aus, dass fast jeder Sachkundige zu amerikanischer und Nahost-Geschichte (mit den unglücklichen Ausnahmen von Bernard Lewis und Fouad Ajami) schnell voraussagten, dass "die hohen Ziele der Koalition für [Afghanistan und] den Irak keinen Erfolg haben werden.
Bernard Lewis (links) und Fouad Ajami waren brillante Wissenschaftler, die verkannten, was Amerikaner in Afghanistan und dem Irak erreichen konnten. |
Die Amerikaner müssen die ungewöhnlichen – wenn nicht einzigartigen – Umstände anerkennen, die die Wiederherstellung der Achsenfeinde 1945 möglich machten, dazu auch die Tatsache, dass diese Umstände selten wieder auftreten. Statt anzunehmen, dass jeder Feind mit genug Anstrengung, Zeit und Geld zu einem Freund und Verbündeten gemacht werden kann, ist für Washington die Zeit gekommen sich auf bescheidenere Ziele zu beschränken wie die Beendigung der Feindseligkeit und das Vermeiden von totalitärer Herrschaft. In diesem Geist schlug ich 2004 einen demokratisch gesinnten Diktator für den Irak vor, jemanden, der die Kontrolle übernehmen und dann im Lauf der Zeit das Land politisch öffnen würde.
Dasselbe weniger ambitionierte Ziel gilt für die meisten besiegten Feinde der Zukunft, denn wie Voltaire feststellte: "Das Bessere ist der Feind des Guten." Es ist Zeit weiterzuziehen; es ist nicht mehr 1945.
Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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Illustration der Washington Times zum Artikel (Zeichnung: Greg Groesch) |