Die Entwicklungen in Ägypten sind zwar so gut gelaufen, wie man nur hoffen konnte, doch die Aussichten für die Zukunft bleiben unklar. Der aufregende Teil ist vorüber, jetzt kommen die Sorgen.
Fangen wir mit drei guten Nachrichten an: Hosni Mubarak, Ägyptens starker Mann, der kurz vor der Schürung einer Katastrophe stand, ist glücklicherweise abgetreten. Die Islamisten, die Ägypten in Richtung Iran drücken würden, spielten in den jüngsten Ereignissen kaum eine Rolle und bleiben weit entfernt von der Macht. Und das Militär, das Ägypten seit 1952 hinter den Kulissen beherrschte, ist die am besten ausgerüstete Institution, um die Regierung an die Forderungen der Demonstranten anzupassen.
Ägyptens Mubarak und Tunesiens Ben-Ali in gemeinsamen guten Zeiten. |
Die Muslimbruderschaft stellt das größere Problem dar. 1928 gegründet, hat die führende Islamistenorganisation der Welt lange die Konfrontation mit der Regierung vermieden und scheut davor zurück ihre Ambitionen zur Ausführung einer islamischen Revolution in Ägypten offenzulegen. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad drückte diese Hoffnung aus, als er behauptete, wegen der Entwicklungen in Ägypten "entsteht ein neuer Naher Osten ohne das zionistische Regime und US-Einmischung". In einer bitteren Einschätzung konzentrierte sich Mubarak selbst auf genau diese Gefahr: "Wir sehen die von den USA angestoßene Demokratie im Iran und mit der Hamas im Gazastreifen; und das ist das Schicksal des Nahen Ostens ... Extremismus und der radikale Islam."
Die US-Administration ihrerseits gab keinen solchen Bedenken Ausdruck. Barack Obama spielte die Bedrohung durch die Muslimbruderschaft herunter und nannte sie "nur eine der Gruppen Ägyptens", während sein Geheimdienst-Direktor James Capper die Bruderschaft sogar als "eine sehr heterogene Gruppe, weitgehend säkular, Gewalt scheuend" bezeichnete, die "eine Verbesserung der politischen Ordnung in Ägypten" betreibt.
Buchdeckel von Tarek Osmans "Egypt on the Brink: From Nasser to Mubarak". |
Steter und schrittweise verstärkter amerikanischer Druck, der anerkennt, dass der Demokratisierungsprozess riesige Veränderungen in der Gesellschaft voraussetzt und nicht Monate, sondern Jahrzehnte erfordert, ist für die Öffnung des Systems notwendig.
Was steht für Ägypten jetzt an und wird die Muslimbruderschaft an die Macht kommen?
Auf den Straßen Ägyptens fand in den letzten Wochen etwas Bemerkenswertes, Unvorhersehbares und nie da Gewesenes statt. Eine Massenbewegung ohne Führer rüttelte, wie ein paar Tage zuvor in Tunis, eine große Anzahl gewöhnlicher Bürger auf. Sie wütete nicht gegen Ausländer oder Sündenböcke aus ägyptischen Minderheiten, auch begrüßte sie keine radikale Ideologie; stattdessen verlangte sie Rechenschaftspflicht, Freiheit und Wohlstand. Berichte, die ich aus Kairo erhielt, legen eine historische Wende hin zu Patriotismus, Einbindung, Säkularismus und persönliche Verantwortlichkeit nahe.
Zur Bestätigung betrachte man zwei Umfragen: Eine Studie von Lisa Blaydes und Drew Linzer aus dem Jahr 2008 stellte fest, dass 60 Prozent der Ägypter islamistische Ansichten vertreten. Doch eine Nahost-Umfrage durch Pechter von letzter Woche stellte fest, dass nur 15 Prozent der Menschen in Kairo und Alexandria die Muslimbruderschaft "billigen" und rund ein Prozent einen ägyptischen Präsidenten der Bruderschaft unterstützen. Ein weiterer Indikator dieses seismischen Wandels: Die auf dem Rückzug befindliche Bruderschaft hat ihre politischen Ambitionen heruntergespielt; Yusuf al-Qaradawi ging sogar so weit zu erklären, dass die Freiheit der Ägypter zu bewahren wichtiger sei, als das islamische Recht umzusetzen.
Niemand kann zu diesem frühen Zeitpunkt sagen, woher diese Revolution der Einstellungen kam oder wohin sie führt, aber so sieht die freudige Realität aus. Die Militärführung trägt nun die gewaltige Verantwortung dafür, sie Früchte tragen zu lassen. Insbesondere drei Männer müssen dazu genau beobachtet werden: Vizepräsident Omar Suleiman, Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi und Generalstabschef Sami Hafez Enan. Wir werden bald sehen, ob die Militärführung gelernt hat und gereift ist und ob sie begreift, dass die Fortsetzung der Verfolgung selbstsüchtiger Interessen zu zukünftigem Verfall führen wird.