Die Revolte in Syrien bietet große Möglichkeiten, humanitäre wie auch geopolitische. Westliche Staaten sollten schnell und kraftvoll den Augenblick nutzen, um den starken Mann Bashar al-Assad und seine Komplizen abzufertigen. Dem werden viele Vorteile folgen, wenn sie in der ihnen zugewiesenen Mülltonne der Geschichte landen.
Syrer reißen Bilder der al-Assads ab – die Basahrs (links) und seines Vaters Hafez. |
Aber Bashars internationale Hauptaufgabe ist es, als Hauptverbündeter Teherans zu dienen. Obwohl Westler in der Regel die syrisch-iranische Allianz als eine unsolide Zweckehe ansehen, hat sie mehr als dreißig Jahre gehalten, Verschiebungen beim Personal und den Umständen verkraftet und das alles wegen dem, was Jubin Goodarzi 2006 die "breitere, langfristige Strategiebedenken der beiden Parteien" nannte, "die ihren nationalen Sicherheitsprioritäten entstammen".
Die syrische Intifada hat den vom Iran geführten "Widerstandsblock" bereits geschwächt, indem eine politische Distanzierung Teherans von Assad verschärft und Spaltungen in der iranischen Führung geschürt worden sind; sollten (sunnitische) Islamisten in Damaskus die Macht übernehmen, würden sie die Verbindung zum Iran beenden, was die vollmundigen Ambitionen der Mullahs ernsthaft schwächen würde.
Kurden protestieren im syrischen Qamishli im April 2011 für ihre Bürgerrechte. |
Der Aufruhr in Syrien bietet dem seit 1976 unter der Knute Syriens stehenden Libanon Entlastung. Gleichermaßen erlaubt ein abgelenktes Damaskus israelischen Strategen – zumindest zeitweilig – ihre Aufmerksamkeit auf die vielen anderen außenpolitischen Probleme des Landes zu konzentrieren.
Innenpolitisch: In einem selbstgefälligen Interview zu den Entwicklungen in Tunesien und Ägypten und nur Wochen, bevor sein Land am 15. März explodierte, erklärte Bashar al-Assad das Elend, dem auch seine Untertanen ausgesetzt sind: "Wann immer es einen Aufstand gibt, ist es selbstverständlich zu sagen man fühle Wut, die sich aus Verzweiflung speist."
Das Wort "Verzweiflung" fasst das Los des syrischen Volks schön zusammen; seit 1970 hat die Assad-Dynastie Syrien mit einer stalinistischen Faust beherrscht, die nur marginal weniger unterdrückerisch war als die des Saddam Hussein im Irak. Armut, Enteignung, Korruption, Stillstand, Unterdrückung, Angst, Isolation, Islamismus, Folter und Massaker sind die Kennzeichen von Assads Herrschaft.
Die Lobeshymne der Vogue auf Bashar al-Assads Ehefrau in der Ausgabe vom März 2011. |
Eine mögliche Gefahr durch einen Regimewechsel muss erwähnt werden. Man darf keinen relativ sanften coup d'état wie in Tunis oder Ägypten erwarten, sondern eine volle Revolution, die sich nicht nur gegen den Assad-Clan richtet, sondern auch gegen die alawitische Gemeinschaft, aus der er stammt. Die Alawiten, eine verschlossene, post-islamische Sekte, die nur ein Achtel der syrischen Bevölkerung ausmacht und die Regierung seit 1966 dominiert, sorgt bei der Mehrheit der Sunniten für heftige Feindseligkeit. Die Sunniten führen die Intifada durch und die Alawiten erledigen die Drecksarbeit sie zu unterdrücken und zu töten. Diese Spannung könnte ein Blutbad, sogar einen Bürgerkrieg schüren – Möglichkeiten, die außen stehende Mächte erkennen und auf die sie sich vorbereiten müssen.
In Syrien dauert eine Hängepartie an; Demonstranten füllen die Straßen und das Regime tötet sie. Dabei kann westliche Politik jetzt einen entscheidenden Unterschied machen. Steven Coll vom New Yorker hat Recht: "Die Zeit für hoffnungsvolles Feilschen mit Assad ist vorbei." Es ist an der Zeit die Sorgen wegen Instabilität beiseite zu schieben, denn, so beobachtet der Analyst Lee Smith zurecht, "es kann kaum schlimmer werden als es mit dem Regime Assad ist". Die Zeit ist gekommen Bashar von der Macht zu stoßen, die Alawiten zu schützen und sich mit dem "unbekannten Übel" zu befassen.