Vor erst 13 Jahren standen die Regierungen der Türkei und Syriens kurz vor einem Krieg; das war der Höhepunkt lange bestehender Spannungen um Grenzen, Terrorismus, Wasser, streitende Allianzen und innenpolitische Faktoren. Im Oktober 1998 schrieb ich in einem Bericht über die Stimmung:
Am Freitag [2. Oktober] sagte der türkische Generalstabschef Huseyin Kivrikoğlu, die Beziehungen zu Damaskus seien bereits zu einem "nicht erklärten Krieg" geworden. Präsident Suleyman Demirel kündigte an: "Wir verlieren die Geduld und wir behalten uns das Recht vor gegen Syrien zurückzuschlagen." Er schickte Syrien eine Warnung: "Diejenigen, die erwarten vom Terrorismus zu profitieren, müssen wissen, dass sie in Zukunft auch unter Terrorismus leiden werden." Premierminister Mesut Yılmaz beschuldigte Syrien, es sei "das Hauptquartier des Terrorismus im Nahen Osten" und soll Damaskus gewarnt haben, die türkische Armee stehe bereit und "wartet auf den Befehl zum Angriff". Offenbar ist im Büro des türkischen Premierministers ein "Krisenkomitee" zusammengestellt worden, um sich mit dem Fall zu befassen.
Zeitungen quellen über mit Gerede über militärische Pläne. Eine führende Tageszeitung verkündete, dass nach Plänen der Armee mit Luftschlägen gegen syrische Militärflugplätze wie auch Radar- und Raketenanlagen begonnen werden soll; ein Einfall auf dem Landweg könnte für einen späteren Zeitpunkt überlegt sein. Eine andere Zeitung prognostizierte, dass türkische Flugzeuge die Terrorlager im Libanon innerhalb einer halben Stunde erreichen könnten.
Syrische Flüchtlinge in einem Flüchtlingslager in einer Grenzstadt in der türkischen Provinz Hatay am 13. Juni 2011 (Reuters/Osman Orsal) |
Doch die Krise wurde abgewendet, dann starb 2000 Hafez al-Assad und die AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi) kam 2002 an die Macht. Neun Jahre lang verbesserten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Im Oktober 2009 führten zum Beispiel türkische und syrische Streitkräfte gemeinsame Militärmanöver bei Ankara durch und ein "Türkisch-syrischer Strategischer Kooperationsrat auf hoher Ebene" entstand, der dann prompt die Unterzeichnung von fast 40 Vereinbarungen verkündete, die rasch umgesetzt werden sollten. Selbst das Grenzproblem hinsichtlich der türkischen Provinz Hatay wurde ad acta gelegt, wenn auch nicht gelöst.
Dann hat plötzlich die intifada in Syrien fast ein Jahrzehnt freundschaftliches Einvernehmen herausgefordert, wenn nicht gar zugrunde gerichtet. So wie Bashar al-Assad hart gegen seine rebellierenden Untertanen vorging und diese in die Türkei flohen, tauchte eine neue Krise auf, die mit der alten eigentlich nichts zu tun hatte. Muhlis Kaçar berichtet in der Zeitung Zaman: "Syriens Operationen in Grenznähe könnte Zusammenstoß mit der Türkei auslösen", wobei er sich auf die Analyse Veysel Ayhans vom Zentrum für Strategische Nahost-Studien (ORSAM) verlässt. Ayhan warnt:
Kommentar: Im Gegensatz zu 1998, als ich sah, wie die Türkei mit Assad wegen jeder Menge ungelöster Probleme Streit suchte, betrachte ich diesmal die Signale Ankaras als defensiver und humanitärer Natur; mehr als alles andere wollen Erdoğan et. al. wirklich mit ihren Gegenüber aus Damaskus zurück zum Business as usual.Die Türkei wird nicht zusehen, falls die syrische Armee, die sich nahe der syrisch-türkischen Grenze befindet, damit beginnt Zivilisten vor den Augen der Türkei zu töten. "Erinnern Sie sich, wie die NATO von den internationalen Medien und Öffentlichkeit beschuldigt wurde, nicht in der Lage gewesen zu sein die Ermordung von 8.000 muslimischen Bosniern vor den Augen der Welt zu verhindern? Als Mitglied der NATO und als Land, dessen Grenze davor steht solch ein Massaker durch die syrische Armee zu erleben, wird die Türkei nicht erlauben, dass so etwas noch einmal geschieht, insbesondere nicht vor ihren eigenen Augen", sagte Ayhan der heutigen Ausgabe von Zaman.
Höchste politische und militärische Vertreter der Türkei haben kürzlich die Grenzregion besucht, um die Lage der syrischen Flüchtlinge zu überprüfen und aus erster Hand einen Einblick in die Lage zu bekommen. Die hochrangigen Auftritte schickten der syrischen Führung ein gewichtige Botschaft, dass die Türkei dem gegenüber nicht gleichgültig bleiben wird, was im Bereich der Grenzregion zu Syrien geschehen ist, argumentieren Experten... Nach Angaben Ayhans sandten all diese Besuche türkischer Offizieller der höchsten Ebene in der Region eine klare und ernste Botschaft an Syrien, dass die Türkei ihre Augen angesichts der Tötung von Zivilisten in nächster Nähe nicht verschließen wird. "Dennoch habe ich Zweifel, wie viel dieser Botschaft von der anderen Seite verstanden wird", sagte Ayhan...
Ayhan sagt, wenn die syrische Armee eingreift und diesen Menschen entlang der Grenze Schaden zufügt, wird das ernste Konsequenzen haben. Er warnt auch, dass die Türkei nicht still stehen wird, sollte die syrische Armee in das Gebiet einrücken, insbesondere, sollte sie das mit der Absicht tun massenhaft das eigene Volk zu töten, zu dem die Türkei historische, kulturelle, religiöse und familiäre Verbindungen hat...