"Der radikale Islam ist das Problem, der moderate Islam ist die Lösung" ist seit 2002 meine Losung gewesen; es bedeutet, dass die vielen Probleme des Islam nur gelöst werden, wenn Muslime den Islamismus, ein Versuch in ein mittelalterliches Modell zurückzufallen, verlassen und eine moderne, moderate und gutnachbarliche Version ihres Glaubens befürworten.
Reichlich viele Menschen stimmen dieser Analyse nicht zu, aber niemand bot eine Alternative an. Jetzt hat Murat Yetkin, der Chefredakteur Hürriyet Daily News in der Türkei, das in einer neuen Kolumne "Antithese des radikalen Islam ist nicht moderater Islam, sondern Säkularismus" gemacht.
Murat Yetkin, Chefredakteur der türkischen Hürriyet Daily News. |
Er findet meine Lösung altbacken und diskreditiert: "Als radikal islamistische Bewegungen aufzukommen begannen, versuchten Politiker im Westen 'Moderate' zu werben" und sie aufzubauen, "ohne zu erkennen oder sich um Verständnis zu kümmern, dass diese die neuen Radikalen werden würden". Yetkin verortet dieses Muster verschiedentlich in Afghanistan, Pakistan, dem Irak, Ägypten und im Irak und Syrien.
Die wahre Antithese zum radikalen Islam, postuliert er, ist nicht moderater Islam, sondern "Staat und Religion zu trennen". Säkularisten, da kann der Westen beruhigt sein, werden sich nicht gegen ihn wenden. Mit der Forderung einer Wiederbelebung des Säkularismus Atatürks bestätigt Yetkin eine neue Rede des türkischen Oppositionsführers Kemal Kılıçdaroğlu, der die Muslime drängt den Säkularismus als "Gegenmittel zum Terror" zu anzunehmen.
Als Antwort beginne ich mit der Feststellung, dass der Säkularismus zwei sehr unterschiedliche Bedeutungen hat:
(1) Trennung von Kirche und Staat: Diese Art Säkularismus, auf die Yetkin anspielt, ist nicht "das Gegenmittel zum Terror" (denken wir z.B. an den Kommunismus), sondern sie bietet eine frühere Methode religiöse Konflikte zu meiden. In der Tat entwickelte sich der Säkularismus aus der Grausamkeit religiöser Kriege im Europa des siebzehnten Jahrhunderts und bot einen Zufluchtsort des "Leben und leben lassen" vor der glaubensinspirierten Gewalt. Was in Europa vor vier Jahrhunderten funktionierte, wird in den mehrheitlich muslimischen Ländern heute wieder funktionieren.
Yetkin hat recht damit für eine säkulare Ordnung zu werben. Ich mache das auch, indem ich westliche Regierungen immer auffordere Islamisten entgegenzuwirken, in aller Vorsicht mit Tyrannen zu kooperieren und Liberale und Säkularisten kräftig zu unterstützen.
(2) Areligiosität: Säkularismus bedeutet auch Glauben abzulehnen - ähnlich Agnostizismus und Atheismus. Areligiosität breitet sich unter Muslimen in aller Stille aus; in zwölf Ländern sind Organisationen von Ex-Muslimen entstanden - ein bisher nicht gekanntes Phänomen. Es gibt eine Analyse, die feststellt, dass 25 Prozent der Arabisch sprechenden Atheisten geworden sind.
Die Veröffentlichhung einer der kürzlich entstandenen Organisationen von Ex-Muslimen. |
Doch selbst, wenn diese (hohe) Zahl korrekt ist, bleiben 75 Prozent der Bevölkerung Glaubende. Für sie gilt der moderate Islam; er bietet vernünftige Ideen zur Ersetzung der widerlichen des Islamismus. In diesem Sinn liegt Yetkin falsch, denn Areligiosität kann die spirituellen Sehnsüchte der meisten Muslime nicht erfüllen. Das kann aber der moderate Islam. Daher bietet er die primäre Lösung für den radikalen Islam.
Zum Teil räume ich stimme ich aber mit dem überein, was Yetkin sagt: Gemeinsam sind der moderate Islam und der Säkularismus die Antwort auf den radikalen Islam; ebenso der Übertritt zu anderen Religionen. Es funktioniert fast alles, was Muslime von der islamistischen Mentalität wegbringt.