Ich hatte gestern Abend die Gelegenheit ein Konzert des königlichen Symphonieorchesters des Oman (Royal Oman Symphony Orchestra - ROSO) zu besuchen, das in seiner Heimatstadt Maskat spielte.
Das 1985 gegründete ROSO gab zwei Jahre später sein erstes Konzert und ist ein sehr persönliches Projekt des langjährigen Herrschers Suldan Qaboss bin Said (geb. 1940, regiert seit 1970). Ein schmeichlerisches Zeitungsprofil erklärt: "Das ROSO entstand als neue und poetische Idee; eine Idee, die im Herzen und der Seele eines wohlwollenden Herrschers geboren wurde. Die Idee wurde mit Leidenschaft, Liebe und Verständnis der Kultur als Mittel für kulturelle Diplomatie, Verständnis und Diplomatie genährt."
Der Beitrag des Sultans war nicht auf blumige Worte beschränkt. Er hatte ein direktes Interesse am westlichen Musikprojekt, gab ihm eine militärische Validierung und brachte es in seinen Palast:
Unter der direkten Aufsicht Seiner Majestät wurden talentierte junge Musiker beiderlei Geschlechts 1985 aufgrund von musikalischen Grundfertigkeiten in Melodie, Tempo und Rhythmus ausgesucht. Unter dem Schirm der Königlichen Garde wurden sie intensiven musikalischen Studien im Oman und im Ausland unterzogen. Während die Erwartung stieg, war die Ankunft der Instrumente ein Grund zum Feiern. ... In jungem Alter werden die osmanischen Musiker intensiver Ausbildung innerhalb des Palastgeländes unterzogen. Es war nicht ungewöhnlich, dass die jungen Musiker bei den Proben seiner Majestät begegnen sehen, wie er vor den Unterrichtsräumen wartet und ganz erpicht darauf ist die erste Note zu hören und Mut zu machen.
Qaboos bestand darauf, dass alle Musiker Staatsbürger des Oman sind, was Ausländer auf die Rolle als Lehrer, Soloeinsätze und Dirigentenaufgaben beschränkte. Manchmal nahm er selbst den Taktstock auf und dirigierte das Orchester.
9. März 2017, Programm des königlichen Symphonieorchesters des Oman |
Das Konzert, das ich besuchte, hieß "Wiener Klassik" und brachte zwei Teile von Mozarts Idomeneo, Beethovens Violin-Romanze Nr. 2 und Haydns Symphonie Nr. 101, dirigiert von Justin Bischoff. Ich nahm den Beethoven-Teil auf.
Das Konzert fand in einem Konzertsaal im Stil für europäische klassische Musik statt, dem Oman Auditorium. Das Publikum füllte etwa die Hälfte des Zuschauerraums und bestand zu 90 Prozent aus Westlern; der Rest waren Omanis mit einzeln "eingesprenkelten" Südasiaten. Die Eintrittskarten kosteten nominell um die 25 US-Dollar, aber viele wurden verschenkt. Im Orchestergraben trugen die Männer eleganten weißen Smoking; die Frauen trugen rote Hijabs über grünen Kleidern; Ausnahme war die Solo-Violinistin, die weiß auf weiß trug.
Kommentare:
(1) Das ROSO ist Teil eines größeren westlich-klassischen Musikprojekts im Oman, das vom Sultan gesponsert ist; besonders beachtenswert ist das 1.100 Sitzplätze große Königliche Opernhaus von Maskat in italienischem Stil, ein speziell errichtetes Gebäude, das 2011 eröffnet wurde.
Das Innere des königlichen Opernhaus von Maskat |
(2) Gemäß meiner These, dass "Beethoven für die Modernisierung nötig ist", verstehe ich das Bestreben des Sultans westliche klassische Musik in den Oman zu bringen als ein Zeichen, dass er eine tiefgreifende Wahrheit begreift: Modernisierung benötigt Verwestlichung.
(3) Dieses Verständnis war in der Blütezeit westlichen Selbstbewusstseins weiter verbreitet. Der ägyptische Khedive Ismail baute ein Opernhaus und beauftragte Verdi anlässlich der Eröffnung des Suezkanals 1869 Aida zu schreiben. Ein führender Pascha baute 1927 die Süreyya Operası in Istanbul (auch wenn diese erst 2007 ihre erste Opernaufführung hatte).
(4) Abgesehen davon genießt westliche klassische Musik und besonders die Oper immer noch überraschendes Prestige. Der Schah eröffnete 1967 in Teheran ein Opernhaus. Das Regime Mubarak ermutigte 1987 in Luxor eine Galaproduktion von Aida und einen Ersatzbau des abgebrannten Opernhauses des Khedive, der ein Jahr später in Kairo eröffnet wurde. Seit 2004 dient das Dar al-Assad für Kultur und Künste in Damaskus als Opernhaus. Der türkische Präsident Erdoğan plant den Abriss eines hässlichen Opernhauses aus den 1960-er Jahren, das durch das größte Opernhaus Europas ersetzt werden soll. Diese Fälle weisen darauf hin, dass einige Herrscher, selbst islamistische, die Verbindung von Verwestlichung und Modernisierung verstehen.
(5) Wir wollen hoffen, dass der Trend sich fortsetzt und in Städten wie Bengasi, Sanaa und Kabul Symphonieorchester und Opernhäuser entstehen.
(6) Die Japaner und Chinesen haben sowohl westliche Musik als auch Moderne gemeistert. Die Omanis stehen erst am Anfang dieses Weges – das Land war noch 1970 mittelalterlich – und ich hoffe, sie werden bei beidem auch so kompetent werden.
10. März 2017