Syrische Truppen kamen erstmals im Juli 1976 in den Libanon; fast ein Viertel Jahrhundert später haben sie es sich dort bequemer gemacht als je zuvor. Bedeutet das, dass sie auf unbestimmt Zeit dort bleiben? Oder deuten Berichte der jüngeren Zeit auf ihren Hinauswurf und eine Wiederbelebung der libanesischen Unabhängigkeit hin? Und gibt es Schritte, die die US-Regierung zum Erreichen dieses Ziels unternehmen kann?
Die Syrische Besatzung
Mit dem Zusammenbruch des Sowjetblocks hat der Libanon die wenig schmeichelhafte Auszeichnung, der einzig verbleibende Satelliten-Staat zu sein. Seine Regierung prahlt mit dem Drum und Dran der Souveränität: eine Flagge, ein Unabhängigkeitstag, eine Verfassung, Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Aber wenig oder nichts davon hat Substanz. Tatsache ist, dass alle wichtigen Entscheidungen des Landes in Damaskus, Syrien getroffen werden.
Die Ursprünge dieser Lage gehen auf den Anfang des nun endenden Jahrhunderts zurück. 1920, als die französische Regierung den modernen Libanon aus Syrien herausschnitten, traf das auf beträchtliche Opposition in Syrien, wo der Libanon als eine Reihe syrischer Provinzen betrachtet wurde. Diese Opposition hielt sich über die beiden nächsten Generationen. Nur durch den Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs 1975 fanden dann die syrischen Autoritäten (Hafez al-Assad) eine Gelegenheit ihre Absicht umzusetzen, den Libanon zurückzubekommen. Ihre Übernahme des Landes geschah schrittweise und fand 1990 ihren Höhepunkt, als rund 90 Prozent des Landes dominiert wurde.
Obwohl sie mit weit größerer Subtilität erreicht wurde, ähnelte Assads Übernahme des Libanon der Besetzung Kuwaits durch Saddam Hussein. In beiden Fällen nutzte der Diktator eines mächtigen totalitären Staates einen alten, irredentistischen Anspruch, um die Unterwerfung eines kleinen, freien und westlich orientierten Nachbarn zu rechtfertigen. Der Hauptunterschied ist einer der Raffinesse: Im Gegensatz zu Saddams roher und brutaler Invasion bereitete Assad den Weg durch die Finanzierung einer Reihe libanesischer Dissidenten-Gruppen, ließ sich von gutgläubigen libanesischen Führungspersönlichkeiten einladen und verleibte sich dann über fünfzehn Jahre hinweg Stück für Stück das Land ein.
Assad entledigte sich vieler Machtebenen im Libanon. Geschätzte 40.000 syrische Soldaten und unzählige politische und Geheimdienst-Agenten verblieben als beträchtliche Präsenz im ganzen Land, dazu zogen hunderttausende Syrer dort hin.
Die Kontrolle des Libanon brachte Assad viele Vorteile. Sie kennzeichnete einen wichtigen Schritt hin dazu, das gesamte Groß-Syrien" unter die direkte Kontrolle von Damaskus zu bekommen, was eines seiner langfristigen Ziele ist. Sie erlaubte ihm die Kritik der Presse und politische Intrigen auszumerzen, die einst von Beirut ausgingen. Der Libanon versorgt seine Beamten mit einen jährlichen Einkommen aus Drogenhandel, das in die Hunderte Millionen Dollar geht, wenn nicht mehr. Er bot bis zu einer Million syrischer Arbeiter Arbeit und bot einen geschützten Markt für syrische Produkte. Er gab Assad die Kontrolle über eine zweite Stimme in arabischen Versammlungen und dem Friedensprozess. Er bot ihm eine Möglichkeit einen Kampf gegen Israel zu führen, ohne sein Regime zu gefährden; die beiden Seiten sind stillschweigend überein gekommen, den totalen Krieg auf die Golanhöhen zu beschränken und sich auf kleinere Scharmützel im Libanon einzulassen. Verhängnisvoller ist, dass die Kontrolle des Libanon einen bequemen Schauplatz zur Unterbringung von terroristischen Vertretern bietet, um sie unter syrischer Kontrolle, aber außerhalb syrischer Verantwortung zu halten.
Merkwürdigerweise ist die Besetzung des Libanon nach den Maßstäben der syrischen Regierung selbst illegal. Damaskus hat zu drei Gelegenheiten mit Entscheidungen übereingestimmt, die von anderen Körperschaften getroffen wurden, dass die syrischen Truppen den Libanon verlassen sollten. Erstmals stimmte es dem Rückzug der Truppen im Oktober 1976 als Teil der Riyadh-Kairo-Vereinbarungen zu. Im September 1982 unterzeichnete es die Erklärung von Fez, die es dazu verpflichtete Verhandlungen" mit der libanesischen Regierung über ein Ende des Auftrags der arabischen Abschreckungstruppen [d.h. der syrische Truppen] im Libanon" zu beginnen. Schließlich akzeptierte Assad im Oktober 1989 eine Vereinbarung, die vom libanesischen Parlament ausgearbeitet wurde (der Ta'if-Vertrag); die Christen unterstützten eine Revision der libanesischen Regierungsstrukturen und im Gegenzug sagte er, dass die syrischen Truppen innerhalb von zwei Jahren, abhängig von der Erfüllung der Bedingungen, aus ihren Positionen von Beirut bis zum Bekaa-Tal abgezogen würden; aber der September 1992 kam und ging, ohne dass etwas passierte. Theodor Hanf, ein führender deutscher Libanon-Wissenschaftler, nennt dies eine eklatante Verletzung" der Ta'if-Vereinbarung.
Folgen für den Libanon
Die Besatzung hat für den Libanon viele Konsequenzen. Bis 1975 war er das offenste aller arabisch sprechenden Länder, stolz auf seine dezentrale Machtverteilung, echte Demokratie, Gesetzestreue, Reisefreiheit, einen freien Markt ähnlich dem von Hong Kong, unabhängiger Schulen und einer freien Presse.
Unter syrischer Kontrolle jedoch hat die Zentralregierung in Beirut an Macht gewonnen, was das jüngste Parlament, nach Hanf, zu dem am wenigsten repräsentative in der libanesischen Geschichte" macht. Syrische Agenten agieren fast völlig außerhalb der Gesetze (so nehmen sie z.B. regelmäßig Verhaftungen ohne Haftbefehle durch), was dazu führte, dass Human Rights Watch den Schluss zog, dass die Geschichte der [Menschenrechts-]Verletzungen im syrisch kontrollierten Libanon schlimmer ist als die in Syrien." Die Reisefreiheit endete, als die Syrer entschieden, wer ins Land kommt und wer es verlässt. Assads Regime hat versucht Standards der Syrer in den Lehrplan zu bringen, darunter auch die Forderung, dass Arabisch und der Islam gelehrt wird. Es hat die frei laufende libanesische Wirtschaft stärker auf die Linie des statischen Syriens gebracht und organische Verbindungen zwischen den beiden Ländern geschaffen (z.B. beim Stromnetz, wie im Straßennetz), manchmal mit Blick auf die permanente Verbindung (warum sonst wurde der Libanon gezwungen seine Elektrizitätswerke von Öl auf Gas umzustellen, das zufällig aus Syrien importiert wird?). Billige syrische Waren werden im Libanon abgeladen. Was die Presse angeht, erklärt Human Rights Watch, dass sie gezwungen worden ist eine von den Syrern gezogene Linie zu beachten, den syrisch kontrollierten Libanon zu verlassen oder aufhört zu funktionieren".
Als vielleicht bedeutendsten Schritt für die langfristige Zukunft hat das Assad-Regime die Türen für Syrer geöffnet in den Libanon umzuziehen, dort Arbeit zu suchen, zu siedeln und manchmal andere Familienmitglieder zu ihnen stoßen zu lassen. Im Laufe der Zeit könnt diese Emigration die Bevölkerungsverteilung des Libanon entscheidend verändern, indem sie die Zahl der Bauern und Muslime erhöht. Solche Veränderungen haben aus der Sicht von Damaskus zusätzlichen Wert, die christliche Bevölkerung und insbesondere die Maroniten, die das Herz des unabhängigen Libanon sind, in ihrer eigenen Heimat weniger willkommen zu machen. (Der maronitische Patriarch Kardinal Nasrallah Butras Sfeir hat die Syrer des Versuchs beschuldigt, genau das zu erreichen zu wollen.) Libanesischen Christen sind ein Jahrhundert lang ausgewandert; fortgesetzte Syrianisierung ihres Landes macht sie anfällig dafür ihre angestammte Heimat in immer größerer Zahl zu verlassen. Sollten sie das tun, wird Damaskus das Haupthindernis für seine permanente Kolonisierung des Libanon beseitigt haben.
Die libanesischen Politiker sind ihren Lehnsherren in Damaskus so unterwürfig, dass sie regelmäßig die syrische Hauptstadt besuchen, bevor sie eine wichtige Entscheidung treffen oder sogar, bevor sie Probleme untereinander lösen. In einigen Fällen umgab sich der Premierminister mit einem Großteil seines Kabinetts, um die 112km nach Damaskus zu reisen. Freimütig gab der frühere Präsident Ilias al-Hirawi einmal seine Scham ob dieses Verhaltensmusters: Wir streiten uns inzwischen um die Einstellung eines Türstehers und gehen nach Damaskus um das Problem unseren Brüdern dort vorzulegen." Premierminister Salim al-Huss sieht kein Enddatum für die syrische Besatzung, erklärt aber, dass sie so lange dauern wird, wie die Regierung ihre Anwesenheit als notwendig betrachtet". Ein ehemaliger libanesischer Diplomat drückt das so aus: Jeder weiß, dass Syrien alles im Libanon total kontrolliert." Oder wie Uri Sagie, damals Kopf des israelischen Militär-Gemeindienstes, erklärte: Die Abhängigkeit des Libanon von Syrien ist absolut."
Es überrascht nicht, dass die überwiegende Mehrheit der libanesischen Bevölkerung – und nicht nur die Christen unter ihnen – die syrische Besatzung ablehnt. Forschungs-Umfragen unter libanesischen Sunniten von 1980-1990 zeigen, dass gerade einmal 3 Prozent von ihnen eine Union mit Syrien befürworten. Einzelne Berichte bestätigen das. Ein Libanese drückte das vor ein paar Jahren so aus: Syrien steht auf der Hass-Liste im heutigen Libanon ganz oben, weit mehr als Israel. Israel wird nur als militärische Bedrohung wahr genommen, während Syrien die pure Existenz des Libanon bedroht."
Die Meinung im Libanon mag überwiegend die Besatzung ablehnen, konnte aber wenig dagegen tun oder sagen; diese Frage im Land zu diskutieren, ist tabu, also ist die meiste offen geäußerte Opposition beschränkt auf Auslands-Libanesen, anonyme Internet-Postings und leise Gespräche." Hier ein Bericht der Associated Press dazu; er stammt von Mitte 1997:
Im Privaten beschweren sich Libanesen über Syriens Zugriff auf ihr Land und das Fehlen von wirklicher Unabhängigkeit... Aber wenige verlangen öffentlich, dass Syrien sofort seine Truppen abzieht. Teilweise, weil man befürchtet den stärkeren Nachbarn vor den Kopf zu stoßen, der in der arabischen Tradition als Schwester Syrien" bekannt ist. Big Brother" Syrien wäre zutreffender.
Trotzdem bricht gelegentlich spontan libanesische Opposition aus. Im Sommer 1997 trugen die syrischen und libanesischen All-Star-Teams ein Halbfinalspiel im Libanon aus. Im Verlauf des Spiels gerieten Fans miteinander in Kämpfe, nachdem die syrischen Einwohner des Libanon skandierten Im Geist und Blut werden wir dich bewahren, Hafiz [al-Assad]." Libanesische Fans antworteten mit der Forderung nach dem Rückzug syrischer Truppen aus dem Libanon. Als die Spannungen stiegen, begannen die beiden Seiten gegen einander zu kämpfen, bis sie den von den besorgten Behörden zerstreut wurden. In Beirut wurden im März 1999 Studenten verhaftet, weil sie Flugblätter verteilten, die ein Ende der syrischen Besatzung forderten. Manchmal sagten Führungspersonen, was sie denken: All das Gerede darüber, dass Syriens Anwesenheit im Libanon Schutz gegen israelische Aggression sei, ist ein Haufen Müll", meinte Dory Chamoun, Führer einer kleinen maronitischen Partei. Wir brauchen Syrien hier nicht, damit es uns hilft."
Trotz solcher Offenherzigkeit blieb die syrische Besatzung des Libanon Jahr um Jahr aufrecht erhalten, fast ohne Veränderung. Die Lage war ungefähr so vollkommen statisch wie man sie in der gegenwärtigen Welt vorfinden kann.
Neuere Entwicklungen
Plötzlich, Ende Frühjahr 2000, fanden zwei wichtige Veränderungen statt. Zusammen genommen fordern sie die Besatzung heraus wie nichts sonst seit mindestens 1984.
Zuerst veränderte der israelische Rückzug aus dem Libanon die politische Landschaft. Die Syrer haben seit 1978 Kritik ihrer eigenen Besatzung abgewehrt, indem sie auf die Notwendigkeit zeigten, dem israelischen Sicherheitsgürtel im Süden etwas entgegen zu setzen. So fadenscheinig diese Rechtfertigung auch sein mag, erfüllte sie ihren Zweck. Libanesische Politiker z.B. wiederholen z.B. das Mantra, dass syrische Truppen so lange bleiben müssten, wie Israels Besatzung bestand. Als diese zweite Besatzung am frühen Morgen des 24. Mai 2000 endete, galt das auch für die Erklärung der bewaffnete syrischen Anwesenheit. UN-Resolution 520, die den Rückzug aller nicht libanesischen Streitkräfte aus dem Libanon" fordert, bezieht sich heute nur noch auf die syrischen Truppen.
Zweitens war die Verschlechterung der Gesundheit Assads seit Monaten offensichtlich und endete mit seinem Tod am 10. Juni. Sein graduelles Abtreten von der Szene ermutigte diejenigen im Libanon, die der syrischen Kontrolle entkommen wollen. Sie betrachteten seinen Abgang als Start eines Kampfes um die Macht in Damaskus, der den syrischen Machtzugriff verringern würde, was den Libanesen mehr Bewegungsfreiraum gäbe. Sie empfanden es so, dass ohne sein sicherer und rücksichtsloser Zugriff, vermutlich stark reduziert und möglicherweise sogar beendet werden könnte. Assads Tod gab all denen im Libanon Mut, die sich wünschen, dass ihr Land nicht mehr unter dem Daumen von Damaskus sehen wollen.
Diese beiden Veränderungen ermutigten libanesische Patrioten sich frei zu äußern und gegen die syrische Besatzung zu demonstrieren. Die Eröffnungs-Salve passierte am 23. März 2000, als Jibran Tuéni, Vorstandsvorsitzender und Managementdirektor der Zeitung An-Nahar einen offenen Brief and Dr. Bashar Assad" schrieb, in dem er den offensichtlichen Erbe Syriens freimütig informierte, dass viele Libanesen sich weder mit der syrischen Politik im Libanon noch mit der syrischen Präsenz' im Libanon anfreunden können" und dann unerschrocken erklärt: Wir sind keine syrische Provinz." Dieser nicht da gewesenen Offenheit folgte rasch eine Reihe von Widerstands-Aktionen. Im April warfen Attentäter dreimal in drei Wochen Dynamitstangen auf einen Wohn-Komplex für 1.500 syrische Arbeiter im Südlibanon; zu dem Anschlag bekannte sich eine Gruppe, die sich Bürger für einen freien und unabhängigen Libanon nennt.
Mitte April marschierten mit dem Premierminister Michel Aoun verbundene Protestgruppen mutig einen Tag vor dem Justizministerium und vor dem Nationalmuseum, dann vor der Universität auf und skandierten antisyrische Sprüche wie Syrien raus hier". Am dritten Tag versammelten sich rund 1000 Demonstranten vor der Libanesischen Universität und riefen: Israelische Armee raus, syrische Armee raus und den Libanon an die erste Stelle." Gewerkschaften folgten mit weiteren Demonstrationen. Innerhalb von zehn Tagen dieser Ereignisse waren die syrischen Truppen weniger sichtbar, weil sie sich aus einem Dutzend viel Beachtung findender Straßensperren abzogen – obwohl natürlich Regierungssprecher jede Verbindung zu den Demonstrationen leugneten. Das scheint der erste je von den syrischen Truppen im Libanon vorgenommene Rückzug zu sein.
Einige der religiösen Persönlichkeiten äußerten sich offen. Patriarch Sfeir erklärte, dass der Libanon, wenn er seine Zukunft selbst bestimmen wolle ... und die Libanesen ihre Freiheit wieder gewinnen wollten, die syrischen Truppen das Land verlassen müssen". Mehr überrascht, dass Erzbischof Elias Audi von der gewöhnlich fügsamen östlichen griechisch-orthodoxen Kirche sich vor seiner Gemeinde in einer Palmsonntags-Predigt auf Seiten der protestierenden Studenten schlug. Menschenrechtsgruppen im Libanon nahmen sich der Sache an. Selbst Muhammed Mahdi Shams ad-Din, Vorsitzender des libanesischen obersten islamischen Shiiten-Rats, beschwerte sich öffentlich, dass der Libanon keinen Justiz-Zweig in der vollen Bedeutung des Begriffs hat, der sich voller Unabhängigkeit erfreut, der Immunität aller anderen Bereiche und Ausübung von Autonomie."
Nur zwei Tage später ging Jibran Tuéni wieder an die Grenze des Machbaren und schrieb in seiner Zeitung einen vernichtenden und sarkastischen Angriff, der die vom syrischen Außenminister benutzte Logik ablehnte, die dieser benutzte, um die Anwesenheit der syrischen Truppen im Libanon zu verteidigen."
Wenn man nach vorne blickt, kann man den Tag erahnen, an dem der Libanon sich vom syrischen Joch befreit und wieder ein souveränes Land sein wird.
Reaktionen der USA
Dank der Cleverness des syrischen Diktators hat die ganze Welt seine Übernahme des Libanon hingenommen – einschließlich der US-Exekutive. Das Weiße Haus und das Außenministerium der Clinton-Jahre haben Syrien nie explizit aufgefordert sich zurückzuziehen, sondern gaben sich mit einem vagen Appell an alle ausländischen Streitkräfte" das Land zu verlassen zufrieden.
Obwohl sie sich der Lage völlig im Klaren sind (wie die oft wiederholte Erklärung zeigt, dass die US-Regierung dem Ziel eines komplett souveränen und unabhängigen Libanon verpflichtet bleibt, frei von allen Auslands-Streitkräften und wieder in der Lage seinen rechtmäßigen Platz unter den Nationen der Welt einzunehmen"), zieht man es vor sich dem nicht zu stellen. Die Argumentation ist einfach: Indem man den Libanon fast ausschließlich im Zusammenhang arabisch-israelischer Verhandlungen sieht, wo er lediglich ein Reizmittel darstellt, tut man sein Bestes um sich nicht darum zu kümmern. Ein Vertreter des Außenministeriums erklärte vor einigen Jahren offen: Wir drängen ständig auf die vollständige Umsetzung des Ta'if-Vertrags [d.h. einen Rückzug der syrischen Truppen], aber es hat bilateral keinen Vorrang. Wir haben das [die Nicht-Umsetzung] nicht sonderlich laut verurteilt, weil es im Kontext einer umfassenden Friedensregelung gelöst werden muss."
Schlimmer noch, zeitweise hat die Clinton-Administration die syrische Besatzung begrüßt: Ein Bericht im Dezember 1999 deutete an, dass sie an libanesische Politiker und Meinungsmacher appellierten den syrischen Truppen zu erlauben und im Libanon zu verbleiben", nachdem Israel seine Truppen aus dem Süden abzog. Ähnlich berichtete eine Beiruter Zeitung, dass US-Botschafter David Satterfield diplomatisch diese Persönlichkeiten warnte', sich nicht auf eine israelische Forderung nach einem syrischen Rückzug zu zählen."
Auf den Aufruhr des Frühjahrs 2000 antwortete die Clinton-Administration mit Milde. Nach dem israelischen Truppenabzug nannte Martin Indy, unser Botschafter in Israel, den israelische Rückzug eine goldene Gelegenheit für die Regierung des Libanon, ihre Autorität bis hier unten an die Grenze auszudehnen." Bei einem Treffen mit dem Außenminister Syriens in Kairo brachte Außenministerin Madelein Albright die Frage der syrischen Besatzung des Libanon nicht auf; öffentlich pries sie es: Syrien hat eine konstruktive Rolle gespielt, so weit es den Libanon betrifft. Wir hoffen, dass es das weiter tun wird." Alles, was sie schaffte, war die Vermeidung der namentlichen Erwähnung syrischer Truppen und der Rückgriff auf die abgestandene Formel, dass alle Auslands-Streitkräfte abziehen sollten".
Syrische Behörden antworteten nicht überraschend auf diesen schwachen Ratschlag damit, dass sie auf ihrem Recht bestanden vor Ort zu bleiben. Der syrische Außenminister Faruk ash-Shar erklärte: Mit allem Respekt, es ist nicht im Interesse von Frau Albright, die Sache aufzubringen. Wir sind auf Verlangen der Regierung und des Volks des Libanon dort und nicht mit dem Segen der Vereinigten Staaten."
Im Gegensatz zur Geschichte des Schwindels der Regierung zur syrischen Besatzung, sogar der Ermutigung dazu, hat der Kongress sie gerade heraus und wiederholt verurteilt: Er stimmte im Juli 1993 einstimmig dafür die Regierung Syriens als in Verletzung des Vertrags von Taif" anzusehen. Im Juni 1995 verabschiedete das Haus eine zweite, ähnlich Resolution (Sec. 2712). Im Juni 1997 wurde die von Eliot Engel eingebrachte Erweiterung von H.R. 1986 bezüglich Sanktionen gegen Syrien" (mit 410 gegen 15 Stimmen) angenommen.
Es ist ebenfalls ermutigend zu sehen, dass in letzter Zeit andere Stimmen sich zu Gunsten der unterdrückten Libanesen gemeldet haben. Menschenrechtsgruppen haben Syriens Anwesenheit verurteilte, ebenso wichtige Medien. Der Boston Globe z.B. führte in einem Editorial an, dass die Freiheit des Libanon nicht nur Israels Abzug aus dem Südlibanon verlangt, sondern ebenso einen dem folgenden Abzug der 40.000 Soldaten der syrischen Besatzungsstreitkräfte." Die Los Angeles Times stimmte zu: Die eine fremde Besatzungsarmee hat den Libanon verlassen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die zweite dasselbe tut." Das Middle East Forum (Mitherausgeber dieses Journals) veröffentlichte im Mai 2000 eine Studiengruppen-Bericht, der das Ende der syrischen Besatzung forderte.
Politische Entscheidungen
Die US-Regierung muss eine grundlegende Entscheidung gegenüber dem Libanon treffen: die syrische Dominanz dort zu akzeptieren oder ihr entgegen zu treten. Operationalisiert heißt das entweder mit der Marionettenregierung des Libanon zusammenzuarbeiten oder sie zu ignorieren.
Mit der Regierung zusammenarbeiten bedeutet Emile Lahoud als echten Präsidenten und Salim al-Huss als echten Premierminister anzuerkennen, die Kommunalwahlen von 1998 als legitim zu akzeptieren und in die Regeln einwilligen, die vom syrischen Regime eingeführt wurden. Eine solche Politik hat den Vorteil, dass man in Damaskus besser angesehen wird und es vielleicht sogar ermutigt einen Friedensvertrag mit Israel zu unterschreiben. Aber das entmutigt natürliche Verbündete der Vereinigten Staaten im Libanon und sonstigen Ausland; und es signalisiert der Welt, dass eine offene Invasion wie die Saddams in Kuwait nicht akzeptabel ist, eine subtile wie die Assads in den Libanon aber sehr wohl toleriert wird.
Die Regierung ignorieren: Die Alternative besteht darin, die syrische Besatzung zu verurteilen und die Pseudo-Regierungsstrukturen in Beirut zu ignorieren. Das hat den Vorteil, das man den eigenen Freunden und Prinzipien treu bleibt; und auf das richtige Pferd gesetzt zu haben, wenn die Libanesen die Kontrolle ihres Landes wieder gewinnen. Es erhöht die Gefahr für die US-Regierung, ihr Gewicht für jemanden in die Waagschale zu werfen, der sich heute auf der Verliererseite befindet.
Für mich gibt es keine wirkliche Wahl: Unsere Regierung muss solidarisch zu den Unterdrückten und gegen die Unterdrücker stehen. So, wie wir die Esten und Tschechen durch ihre Jahrzehnte der sowjetischen Dominierung unterstützten, selbst als die Aussichten auf ihre Unabhängigkeit sehr weit entfernt zu sein schienen, müssen wir jetzt dem libanesischen Volk in der Stunde der Not beistehen. Auch ist das nicht nur eine Frage des Prinzips: Die baltischen Führer stimmen alle bezüglich der Bedeutung überein, dass die US-Regierung es ablehnte, die Besetzung ihrer Länder zu akzeptieren. Libanesische Patrioten werden uns eines Tages gleichermaßen danken, dass wir ihrem Volk selbst dann beistanden, als sie die scheinbar unüberwindliche Macht des syrischen Schwertes ausgesetzt waren.
Es gibt auch einen praktischen Grund dafür, diesen Schritt zu machen: Gary Gambill (vom Middle East Intelligence Bulletin) führt an, dass amerikanische Hilfe für die Libanesen lebenswichtig ist, wenn sie ihre syrischen Herren herausfordern wollen. Wann immer es so scheint, dass die Beschwichtigung Syriens durch die USA nachlässt, nutzt die libanesische Zivilgesellschaft die Gelegenheit sich der syrischen Hegemonie entgegenzustellen. Andererseits halten sich die Libanese mit offen abweichender Meinung zurück, wenn die USA es an Entschlossenheit gegenüber Syrien fehlen lassen." Wir sind nicht nur Zaungäste, sondern wohl oder übel Akteure in einem wichtigen Drama: öffentliche Missbilligung der syrischen Besatzung wird libanesische Ungeduld hervor rufen und helfen, diese Besatzung zu beenden.
Entsprechend muss die Exekutive ernsthafte Schritte unternehmen, um die syrischen Besatzer durch eine Kombination von Diplomatie und wirtschaftlichem Druck zu verurteilen und abzuwehren. Wenn die Libanesen selbst bereit sind, das syrische Joch abzuwerfen, sollten solche Schritte ihnen bald zum Erfolg verhelfen.