Daniel Pipes, 53, ist Direktor der neokonservativen Denkfabrik Middle East Forum in Washington und Kolumnist der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post".
profil: Der Irak erlaubt den Waffeninspektoren die Rückkehr. Sollen die USA Saddam Hussein trotzdem angreifen?
Pipes: Die Reaktion des Weißen Hauses war eindeutig: Dieser Schritt von Saddam Hussein ist so gut wie irrelevant und wird lediglich auf die Beziehungen der USA zu Europa und Russland einen Einfluss haben.
profil: Wie sollte dann eine UN-Resolution formuliert sein, wenn alles, was Saddam Hussein tut, irrelevant ist?
Pipes: Meiner Meinung nach ist Saddam Hussein unverbesserlich. Präsident George W. Bush hat eine lange Liste von Forderungen aufgestellt, was ich kritisiert habe. Ich finde, es ist einfach inakzeptabel, dass Saddam Hussein noch eine Chance bekommen soll.
profil: UN-Resolutionen enthalten aber gewöhnlich Forderungen.
Pipes: Ihre Frage und meine Antwort reflektieren den Unterschied zwischen den USA und Europa. Sie stellen eine mögliche UN-Resolution ins Zentrum, ich schiebe sie zur Seite, denn sie ist nicht der Kern. Der Kern ist vielmehr die Gefahr, die von diesem Regime ausgeht.
profil: Moshe Ya'alon, der israelische Generalstabschef, sagt, der Konflikt mit den Palästinensern sei weit gefährlicher als ein möglicher Angriff des Irak auf Israel.
Pipes: Die israelische Armee hat mehrmals erklärt, dass sie auf mögliche Schläge des Irak vorbereitet ist.
profil: Aber wenn sich selbst Israel nicht sehr bedroht fühlt, worin besteht dann die imminente Gefahr?
Pipes: Wir gehen von der Prämisse aus, dass der Irak derzeit noch keine Nuklearwaffen besitzt, dass er sich diese aber bald beschaffen wird. Die Israelis sind gegen biologische und chemische Angriffe gewappnet. Bei Atomwaffen wäre das etwas anderes.
profil: Wird der US-Angriff gegen den Irak eine isolierte Aktion sein, oder ist er Teil eines größeren Projekts?
Pipes: Der Regimewechsel im Irak wird bedeutende Auswirkungen auf die amerikanische Politik im Nahen und Mittleren Osten haben. Er wird die Iran-Politik verändern, die Beziehungen zu Saudi-Arabien, die Politik in Bezug auf Israel, die Türkei, Syrien, Öl, islamischen Fundamentalismus …
profil: Werden diese Veränderungen positiv oder negativ sein?
Pipes: Ausnahmslos positiv. Der Iran wird der Möglichkeit einer Kooperation mit dem Irak beraubt, was die Reformen in Teheran vorantreiben wird. Die Annäherung Syriens an den Irak wird gestoppt. Der Irak wird die palästinensischen Terroristen nicht länger unterstützen. Dank des irakischen Öls werden die Energiepreise fallen. Der Westen wird nicht mehr in so großem Maß von Saudi-Arabien abhängig sein, das wird das Einkommen der Saudis reduzieren und damit auch ihre Möglichkeit, ihre Form des Fundamentalismus zu expor- tieren.
profil: Da drängen sich einige Zweifel auf. Sie selbst sagen auch, dass es zwischen Saudi-Arabien und der al-Qa'ida eine starke Verbindung gibt. Warum sol- lte der Fundamentalismus der Saudis nachlassen und weniger gefährlich werden?
Pipes: Ich behaupte ja nicht, dass sich das alles automatisch durch den Regimewechsel im Irak ergeben wird. Ich befürworte eine viel entschiedenere US-Politik gegenüber Saudi-Arabien. Unsere Politik war bisher in Geiselhaft einiger saudischer und amerikanischer Geschäftsleute, Lobbyisten und Politiker.
profil: Wird es nach dem Krieg gegen den Irak weiterer Kriege bedürfen? Etwa, um Saudi-Arabien zu verändern?
Pipes: Das glaube ich nicht.
profil: Das Thesenpapier des Rand-Think Tanks, das an die Öffentlichkeit gespielt wurde, geht von Umwälzungen in Saudi-Arabien und Ägypten aus. Glauben Sie, dass die US-Regierung diese Ansichten teilt?
Pipes: Nein. Aber die Frage, die oft gestellt wird, lautet: Ist Saudi-Arabien ein Freund oder ein Feind? Meine Antwort: weder – noch. Es ist ein Rivale, vergleichbar etwa mit China. Unsere Ziele sind extrem unterschiedlich, aber wir haben gemeinsame Interessen. Dennoch glaube ich, dass es gut ist, wenn auch andere Ansätze diskutiert werden.
profil: Europa hält einen Angriff auf den Irak für extrem gefährlich, solange der Palästinenserkonflikt nicht gelöst ist.
Pipes: Ich sehe keinen Zusammenhang. Der arabisch-israelische Konflikt ist ein Jahrhundert alt. Wer verlangt, es dürfe nichts unternommen werden, solange der arabisch-israelische Konflikt nicht gelöst ist, sagt damit auch, dass nichts gegen den Irak unternommen werden darf. Wenn Sie das wollen, bitte. Aber ein Saddam Hussein, der Atomwaffen besitzt, ist die weltweit furchterregendste Aussicht.
Interview: Robert Treichler