http://www.icej.de/digest/sep99/guest.html
Es könnte eine sehr einfache Erklärung dafür geben, daß es zwischen Syrien und Israel so langsam voran geht. Der Autor ist Direktor des Middle East Forum in Philadelphia und hat drei Bücher über Syrien geschrieben.
Will Hafis Assad einen Friedensvertrag mit Israel? So ziemlich jeder sagt ja - der allmächtige Präsident Syriens hofft die Feindseligkeiten zwischen ihm und seinem lebenslangen Gegner abzubauen.
Für diesen Wandel werden unterschiedliche Gründe angegeben. Assad will die heruntergekommene syrischen Wirtschaft neu in Schwung bringen. Er will die Golanhöhen zurückhaben (für deren Verlust 1967 ihn viele Araber immer noch beschuldigen). Er hofft für den Westen akzeptabel zu werden. Er will noch unerledigte Dinge für seinen Nachfolger regeln, vielleicht aus Sorge, daß dieser Nachfolger mit seinen Forderungen zu zurückhaltend sein werde.
Besonders diese letztgenannte Theorie ist derzeit beliebt, sie verleiht den Gesprächen mit Israel ein Gefühl der Dringlichkeit. Der frühere US-Außenminister James Baker sagte nach einem Treffen mit Assad im Juni, hier öffne sich ein "Fenster der Gelegenheit" ("window of opportunity"), warnte aber davor, daß dies möglicherweise nicht mehr lange so sei.
Was auch immer der genaue Grund sein mag, alle diese Analysen gehen davon aus, daß Assad vor einigen Jahren - einem israelischen Fachmann zufolge 1988 - eine stragegische Entscheidung für den Frieden getroffen habe. Er habe entschieden, auf Krieg gegen Israel zu verzichten und auf einen Vertrag hin zu verhandeln. Seine anschließende militärische Aufrüstung habe vor allem dazu gedient, Syrien in die für ein annehmbares Ergebnis nötige Verhandlungsposition zu bringen.
Das hört sich gut an. Aber es gibt da ein Problem: Wenn Assad vor etwa zehn Jahren beschlossen hat, den Konflikt mit Israel zu beenden, wie kommt es dann, daß nichts geschehen ist?
Bei der Konferenz von Madrid 1991 begannen die Verhandlungen und sie sind, soviel kann man sagen, ohne Ergebnis geblieben. Es wurden hypothetische Fragen diskutiert, aber keine wurde beantwortet. Jedesmal, wenn sich am Horizont ein Durchbruch abzeichnete, unternahm Assad etwas, um die Sache entgleisen zu lassen.
Nun braucht Diplomatie Zeit, viel Zeit. Aber das Tempo dieser Gespräche erinnert eher an "Warten auf Godot" und an absurdes Theater als an einen mächtigen Staat, der entschlossen ist, ein Abkommen zu schließen.
Wie ist das lahme Tempo zu erklären? Fürsprecher der Normalvernunft haben keine Antwort. Itamar Rabinovich, Israels Chefunterhändler mit den Syrern bleibt angesichts von Assads Aktionen nur immer wieder händeringendes Nichtverstehen.
ES MAG EINE EINFACHE ANTWORT GEBEN: Die Grundannahmen müssen geändert werden. Wenn man davon ausgeht, daß Assad in Wirklichkeit keine Einigung will, dann fügt sich eins ins andere.
Es gibt vor allem einen Grund für die Annahme, daß dies tatsächlich Assads Position ist - seine Furcht, daß die syrische Bevölkerung einen Vertrag mit Irael nicht als eine rein zweckmäßige Einigung mit einem Nachbarn sehen könnte, sondern als ein Signal, daß die Regierung ihre Richtung grundlegend geändert habe. Daß sie einen Vertrag mit Israel als Ende der totalitären Herrschaft sehen könnte und vieles mehr - ein Ende der Vorherrschaft des Militärs, Lockerung der wirtschaftlichen Kontrolle, zunehmende Freiheiten und wachsende politische Mitbestimmung.
Für Assad, der Syrien fast drei jahrzehnte mit eiserner Faust regiert hat, müssen solche Erwartungen alarmierend sein. Er weiß, wie man als Diktator regiert, aber nicht als ein Führer, der seiner Wählerschaft verantwortlich ist.
Gleichzeitig bringt ihm das Fortsetzen der Verhandlungen mit Israel einen sehr wichtigen Vorteil. Es ermöglicht ihm, der Brandmarkung als "rogue state" ("Verbrecherstaat") durch Washington zu entgehen.
Im Unterschied zu seinen Kollegen in Irak, Iran, Libyen und Sudan bekommt er Besuch von amerikanischen Außenministern. Während sie unter amerikanischen Wirtschaftssanktionen und einem gelegentlichen Militärschlag zu leiden haben, hat er Ruhe.
Assads Vorgehen seit 1991 stimmt mit dieser Auslegung völlig überein: kosmetische Reformen in Syrien, endlose Verhandlungen mit Israel, und die Hoffnung seinem Nachfolger ein Paket Arbeit zu hinterlassen. Assad führt Scheinverhandlungen und hat nicht die Absicht, jemals einem Vertrag mit Israel zu schließen.
Dies erklärt, warum hoffnungerweckende diplomatische Zeichen nie Ergebnisse nach sich ziehen, warum Verhandlungen stets abbrechen, wenn sie am produktivsten scheinen, und warum Regierungswechsel in Israel in diesem Prozess fast keinen Unterschied machen.
Dies zugrundegelegt, sieht Baker die Dinge genau falschherum. Von einem "Fenster der Möglichkeit" ist dieser Moment weit entfernt, und Assads labile Gesundheit könnte ihn um so zurückhaltender sein lassen, etwas riskantes zu unternehmen..
Diese skeptische Sicht der Dinge sind für Israel zwei direkte politische Folgerungen zu ziehen. Erstens, langsam machen - es gibt keinen Grund zur Eile. Die gegenwärtigen Tendenzen (besonders der steile Abwärtstrend in Syriens Wirtschaft und der erwartete Rücktritt Assads) bedeuten, daß Beharrlichkeit sich lohnen wird.
Zweitens, die Verhandlungen mit Assad mehr als Übung in Öffentlichkeisarbeit sehen, und weniger als ernsthaftes Forum zur Lösung des arabisch-israelischen Konflikts.
Und darauf warten, daß sein Nachfolger mit ernstgemeinten Verhandlungen beginnt.