Die neueste Ausgabe von "Anti-Semitism Worldwide", einer von der Anti-Defamation League jährlich veröffentlichten Studie, beinhaltet zwei erstaunliche, aber nicht wahr genommene Muster. Erstens zeigt sie, dass sich das Zentrum antijüdischen Redens und Tuns aus den christlichen Ländern in die muslimische Welt verschoben hat. Zu den ersteren berichtet die Studie über Aktivitäten von Randgruppen; bei letzteren zitiert sie Staatsoberhäupter, mächtige politische Parteien, Mainstream-Zeitungen und führende Intellektuelle. Die Palästinensergruppe Hamas zitiert z.B. in ihrer Charta aus den "Protokollen der Weisen von Zion". Antisemitismus liegt in der ganzen Welt heimlich auf der Lauer; bei den Muslimen herrscht er voller Stolz.
Zweitens – und das ist vielleicht sogar noch unheilvoller: Selbst in den vorwiegend christlichen Ländern Europas und Amerikas schwenken Muslime heutzutage zunehmend das Banner des Antisemitismus und stellen eine physische Bedrohung für Juden dar. Das heißt nicht, dass Antisemitismus unter Christen sich in Luft aufgelöst hat, sondern dass er deutlich weniger Schlagkraft hat als die muslimische Art. Die Studie berichtet, dass, während Rechtsextremisten in Europa Juden belästigten und jüdisches Eigentum demolierten, "gewalttätige Angriffe mit der Absicht, körperlichen Schaden zuzufügen, in den meisten Fällen von muslimischen Extremisten verübt wurden". Beispielsweise wurde der einzige antisemitische Terrorakt 1995 in Europa nicht von Skinheads begangen, sondern von einer algerischen Fundamentalistengruppe (der Versuch, eine jüdische Schule bei Lyon in Frankreich zu sprengen). Muslime von Südafrika über Argentinien bis Schweden übertreffen die Rechte auch bezüglich der Reichweite ihrer antisemitischen Rhetorik und ihres Einflusses.
Dasselbe Muster gilt für die Vereinigten Staaten. Hier teilt sich die muslimische Bevölkerung in zwei Hauptgruppen: Konvertiten (meist Schwarze, von denen viele irgendwann Verbindung zur "Nation of Islam" hatten) und Immigranten (zumeist aus Südasien). Expliziter, feindseliger Antisemitismus ist bei beiden Gruppen die Regel. Es gibt zwar ein paar wenige, mutige Stimmen, die sich gegen die endlosen Angriffe auf die Juden stellen; diese sind aber im Trommelfeuer der Einseitigkeit, Schmähungen und Verschwörungstheorien kaum zu hören.
Einwanderer
Wie ihre Glaubensbrüder andernorts setzen sich Muslime, die in die USA emigrieren oder amerikanische Konvertiten für eine große Bandbreite an Ansichten ein. Es fällt aber auf, dass, im Gegensatz zu Ländern wie der Türkei und Ägypten, wo eine lebhafte Debatte zwischen Moderaten und Fundamentalisten stattfindet, in den USA die Fundamentalisten dominieren – so sehr, dass Moderate kaum zu Wort kommen. Die Fundamentalisten kontrollieren alle großen Muslim-Organisationen, einschließlich der Islamic Association for Palestine, dem Islamic Circle of North America, dem Islamic Committee for Palestine, der Islamic Society for North America, der Muslim Arab Association, dem Muslim Public Affairs Council und der Muslim Students Association. Sie haben auch zunehmende Kontrolle über die Mehrzahl der Moscheen, Wochenzeitungen und kommunalen Organisationen.
Diese fundamentalistische Hegemonie ist Ergebnis mehrerer Faktoren. Einer hat mit der Finanzierung und mit anderer Unterstützung aus dem Nahen Osten zu tun, die fast ausschließlich an Fundamentalisten gehen. Die Iraner, Libyer und Saudis haben seit Jahren den aggressivsten, fundamentalistischsten Gruppen geholfen. Der andere Faktor hat damit zu tun, dass die Moderaten dazu tendieren, in die Welt hinaus zu gehen und sich in andere, weniger mit der muslimischen Gemeinde zusammen hängenden Aktivitäten einbringen.
Jede der fundamentalistischen Organisationen sprudelt Antisemitismus hervor, viele öffentlich, andere diskreter. Fast alle nehmen Bezug auf einen ständigen Kampf bis zum Tod mit den Juden. Einer der angesehensten islamischen Theologen, Yussuf al-Qardawi, sagte z.B. 1989 einer riesigen Zuhörerschaft bei einem Treffen in Kansas City: "In der Stunde des Gerichts werden die Muslime gegen die Juden kämpfen und sie töten."
Die amerikanischen Muslime konzentrieren sich auf zwei Hauptthemen. Das eine betrifft die Notwendigkeit Israel zu vernichten. Fundamentalistische Gruppen schließen sich eng an die Sache der Hamas und des Islamischen Jihad an, feiern, was diese erreichen und teilen ihre mörderische Haltung gegenüber den Juden. Redner auf ihren Treffen rufen regelmäßig die Zuhörerschaft zur Hilfe bei der Eliminierung der jüdischen Präsenz von dem auf, was sie Palästina nennen; die Verkündung einer terroristischen Aktion gegen Israelis ruft bei einem muslimischen Treffen ungehemmten Jubel hervor.
Das zweite Thema betrifft die Notwendigkeit, mehr Schlagkraft als die amerikanischen Juden zu gewinnen. Amerikanische Muslime erklärten wiederholt ihre Absicht mit den Juden gleich zu ziehen und sie zu überholen; sie betrachten fast jeden Bereich ihrer politischen Existenz in den USA – Bevölkerungsanteil, Geldbeschaffungsmöglichkeiten, Einfluss in Washington – in Begriffen dieses Wettbewerbs. Diese Ambition spiegelt sich in der Meinung des Intellektuellen Ali Mazrui, dass "im nächsten Jahrhundert die Muslime genauso einflussreich in der Beeinflussung der Politik sein werden wie die Juden".
Die "Nation of Islam"
Was die Konvertiten angeht, hat sich Louis Farrakhan, Führer der "Nation of Islam" als der führende antijüdische Ideologe etabliert. Er hat einen Eiertanz deswegen aufgeführt, aber nie seine bekannten Äußerungen von 1984 in Abrede gestellt, dass das Judentum eine "Gossenreligion" sei und Adolf Hitler ein "sehr großer Mann". In einer berüchtigten Rede am Kean College im November 1995 spuckte Farrakhans Stellvertreter eine Serie von Statements über die Juden aus, die einem die Sprache verschlagen. Die "Nation of Islam" verkauft auf ihren Veranstaltungen "Die Protokolle der Weisen von Zion". Darüber hinaus hat die Organisation sogar "eigene Forschung" unternommen und 1991 einen Band zusammengestellt, der "The Secret Relationship between Blacks and Jews" (Die geheime Beziehung zwischen Schwarzen und Juden) genannt wurde und die vorgibt aufzuzeigen, dass Juden die Hauptverantwortlichen für die Versklavung der Schwarzen und ihren Transport nach Amerika waren.
Die "Nation of Islam" hat eine weitaus größere Reichweite, deshalb sind ihre Ansichten weitaus wichtiger als die der rechtsextremen Gruppen. Anders als der Ku Klux Klan hat sie eine organisierte paramilitärische Streitmacht in Dutzenden von Städten – und hat es sogar geschafft, dafür Bundeszuschüsse zu bekommen. Anders als die Liberty Lobby holt sie regelmäßig Tausende von Zuhörern in große Arenen. Anders als die Milizmänner erscheint ihr Führer in der Öffentlichkeit Hand in Hand mit dem Bürgermeister von Philadelphia. Anders als die Aryan Nation hat sie einen Patron aus dem Ausland (Mu'ammar al-Gaddhafi von Libyen), der ihr eine Milliarde Dollar angeboten hat, um die amerikanischen Muslime zu organisieren und sie dazu zu bringen "ihre Stimmen für einen Kandidaten abzugeben, der den Arabern dient".
Folgen
Antisemitismus, historisch ein christliches Phänomen, ist nun hauptsächlich ein muslimisches Phänomen – und das nicht nur im Nahen Osten, sondern auch hier bei uns in den Vereinigten Staaten. Muslime sind heute die lebhaftesten und unverhülltesten Antisemiten; sie sind es, die bei uns am meisten zum Judenhass beitragen. Muslime reden in Begriffen eines offenen Antisemitismus, die kaum irgendwo anders im Westen zu finden sind. Die Sendung von Auszügen aus Hitlers "Mein Kampf" in Radio Islam in Schweden führte dazu dass Ahmed Arami sechs Monate in einem schwedischen Gefängnis verbrachte.
Das hat für Juden verschiedene Auswirkungen. Erstens: So, wie die muslimische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten wächst, wächst auch der Antisemitismus (ganz zu schweigen von einem damit zusammenhängenden Phänomen, dem Antichristianismus). Zweitens: Amerikanische jüdische Organisationen sollten weniger von ihren Ressourcen auf die christliche Rechte verwenden und mehr davon auf den fundamentalen Islam. Das Schulgebet ist weitaus weniger ein Thema als die Atmosphäre unverhohlener Feindseligkeit und potenzieller Gewalt gegen Juden.
Drittens: Das institutionelle Übergewicht von Fundamentalisten in den USA machen es den amerikanischen jüdischen Organisationen extrem schwer, konstruktive Beziehungen zu muslimischen Gegenüber aufzubauen, da sämtliche wichtigen islamischen Gruppierungen fundamentalistisch sind, möglicherweise mit der Ausnahme der Bewegung von W. Deen Mohammed. Angesichts der Wahl, sich mit Fundamentalisten zusammenzusetzen oder mit niemandem, sollten die jüdischen Organisationen die zweite Möglichkeit wählen. Andernfalls laufen sie Gefahr, ihre schlimmsten Feinde zu legitimieren.