Bleib auf Kurs – aber ändere ihn. Das war die Bedeutung des plötzlichen, harten und doch beiläufigen Wechsels der Politik Washingtons zum Irak in der letzten Woche.
Nachdem der amerikanische Zivil-Verwalter des Irak, L. Paul Bremer III einen hastigen Besuch im Weißen Hause absolvierte, sagte Präsident George W. Bush, er wünsche, dass die Iraker stärker in die Regierungsarbeit ihres Landes eingebunden werden" und bot einige Ideen in dieser Richtung an. Zwei Tage später verkündete der irakische Regierungsrat, dass die formelle Besatzung des Irak im Juni 2004 enden und zu einer bloßen militärischen Präsenz" werden würde.
Ambitionierte Pläne für eine frühe Verfassung sind nun auf Seite gestellt worden; statt dessen, berichtet Associated Press, wird Bremer einen irakischen Interims-Führer benennen, der die Autorität erhält, das land zu regieren, bis eine Verfassung geschrieben und Wahlen abgehalten werden können." Das Militär wird irakifiziert". Der neue Schwerpunkt liegt weniger auf der Schaffung einer Jefferson'schen Demokratie, als darauf, Macht und Verantwortung den Irakern zu übertragen und das zügig zu tun.
Dieser willkommene Schritt stellt einen Sieg für den Realismus des Verteidigungsministeriums dar und eine Niederlage für die träumerischen Hoffnungen des Außenministeriums, (wie das Wall Street Journal es ausdrückt) das Philadelphia von 1878 in Bagdad neu zu schaffen". Sicher, es wäre wunderbar, wenn Amerikaner und Briten, ganz locker, die Iraker in der feinen Kunst des Regierens zu bilden. Aber die Iraker sind keine Kinder, die willig von westlichen Ausbildern lernen. Sie sind stolz auf ihre Geschichte, herausfordernd gegenüber dem Ausland, misstrauisch gegenüber den Anglo-Amerikanern und entschlossen, ihr Land selbst zu führen. Versuche sie zu belehren, werden mit Sicherheit fehl schlagen.
Der heutige Irak ähnelt dem Deutschland oder Japan von 1945 mitnichten, vor allem, weil hier eine sehr andere Gleichung besteht:
- Deutsche und Japaner wurden beide als Volk besiegt, nieder gerungen durch einen Jahre langen totalen Krieg; also akzeptierten sie den Wiederaufbau ihrer Gesellschaft und Kultur. Im Gegensatz dazu entkamen die Iraker fast unbeschädigt einem dreiwöchigen Krieg, der so angelegt war, dass er sie nicht schädigte. Im Gefühl, befreit, statt geschlagen zu sein, sind die Iraker nicht in der Stimmung, sich sagen zu lassen, wo es lang geht. Sie nehmen von der Besatzung das, was ihnen dient und wehren – durch Gewalt oder andere Formen des Widerstands – das ab, was ihnen nicht dient.
- Im Gegensatz dazu zeigen Amerikaner, nachdem sie eben nicht durch einen langen und brutalen Krieg mit den Irakern gegangen sind, begrenztes Interesse am zukünftigen Irak.
Kurz gesagt: Die irakische Entschlossenheit ist viel größer als die der Besatzer, was ernsthaft einschränkt, was Letztere erreichen können.
Washingtons sinnvoller neuer Ansatz stimmt mit meiner Forderung vom April 2003 nach einen politisch moderaten, aber operational harten, demokratisch gesinnten irakischen Herrscher" überein, wie auch meiner Empfehlung, die Iraker den Irak führen zu lassen.
Das soll nicht heißten, dass ich die amerikanischen, britischen, polnischen, italienischen und anderen Soldaten das Land verlassen sehen möchte; nein, sie müssen bleiben, sich aber auf eine geringere Rolle beschränken.
- Präsenz: Die Stiefel auf den Straßen sollten irakische sein, nicht fremde. Die Koalitions-Streitkräfte sollten aus den bewohnten Gebieten genommen und in der Wüste stationiert werden (davon gibt es im Irak genug).
- Macht: Grenzen garantieren, Öl- und Gasleitungen und die Regierung in Bagdad. Saddam Hussein und seine Handlanger jagen. Ansonsten sollten die Iraker die Ordnung aufrecht erhalten.
- Entscheidungen: Lasst die Iraker die internen Entscheidungen treffen (Sicherheit, Finanzen, Justiz, Bildung, Religion usw.), nur die Außen- und Verteidigungspolitik in den Händen der Koalistion belassen.
Die Iraker sollten – unter nur entfernter Aufsicht der Koalition – die Chance erhalten, es selbst zu versuchen. Wenn eine Regierung sich über einen ausgedehnten Zeitraum als zuverlässig erwiesen hat, verdient sie die volle Souveränität. Sollte die Sache schief gehen, können die Truppen in der Wüste jederzeit einschreiten.
Man sollte sich keine falschen Vorstellungen machen: die Irakisierung bietet reichlich Gelegenhteit, dass die Dinge schief gehen. Die Geschichte der irakischen Selbst-Regierung in den letzten siebzig Jahren ist katastrophal gewesen; realistischerweise müssen wir eine zukünftige Führung erwarten, die weniger als beispielhaft ist. So lange sie aber keine Gefahr für die übrige Welt ist oder die eigene Bevölkerung brutal behandelt, sollte das akzeptabel sein, denn Amerikaner und Briten gaben ihr Leben im Krieg des Frühjahrs weniger, um den Irak in Ordnung zu bringen, als mehr um ihre eigenen Länder zu schützen.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Irak der muslimischen Welt schon bald als Demokratie-Modell dienen wird. Aber wenn die Bush-Administration den Kurs ihrer ausgezeichneten neuen Politik hält, hat eine neue irakische Regierung die Chance, sich über die Jahre und vielleicht Jahrzehnte hinweg in ein anständiges Land mit einem offenen politischen Prozess zu entwickeln, mit einer erfolgreichen Wirtschaft und blühenden Kultur.