Warschau – Als er letzten Dezember designierter polnischen Ministerpräsident war, gab Mateusz Morawiecki die außergewöhnliche Erklärung ab, dass er und seine Regierung die Europäische Union "umwandeln wollen, sie wieder christlich machen wollen".
Fasziniert von dieser großen Vision des Schicksals Polens und insbesondere interessiert an dem fast vollständigen Bann für muslimische Immigranten (wiederum Morawiecki: "Wir werden keine Migranten aus dem Nahen Osten und Nordafrika in Polen annehmen."), verbrachte ich eine Woche in Warschau, um zu verstehen, warum das Land sich so scharf von Westeuropa unterscheidet und was das bedeutet.
Ich fand eine tobende Debatte um die zivilisationistische (üblicherweise und ungenau als "rechtsextrem" bekannte) Partei vor, die Recht und Gerechtigkeit heißt (PiS, "peace" ausgesprochen). Genauer gesagt streiten die Polen darüber: Schürte PiS oder reagierte sie auf antimuslimische Gefühle?
Der führende polnische Edelmann Stanislaw Szczuka (1654-1710) in einer sarmatischen Tracht |
PiS-Kritiker stellen sie (wie andere zivilisationische Parteien) als eine Partei dar, die auf eingebildeten Ängsten und fadenscheinigen Emotionen an die Macht reiten will. Bis auf die Belagerung Wiens 1683 weisen sie auf gute historische Beziehungen der Polen zu Muslimen hin, darunter sieben Jahrhunderte beispielhafter Beziehungen zur winzigen Türkisch sprechenden Gruppe in Polen lebender Muslime, den Lipka-Tataren; auf die romantischen Vorstellungen des polnischen Adels über ihre iranische ("sarmatische") Herkunft; dass das Osmanische Reich es ablehnte die Teilung Polens anzuerkennen; und dass die PiS selber die Immigration von Tschetschenen nach Polen Anfang der 2000-er Jahre herzlich begrüßte.
Gemäß dieser Interpretation brachten die PiS und ihr gefügige Medien das Gespenst der Gewalt und anderer Spannungen bezüglich Muslimen in Westeuropa auf, womit sie eine ausreichende Zahl Polen verängstigte, so dass sie die erste Einparteienregierung der postkommunistischen Ära bilden konnte. Kritiker argumentieren, dass die PiS die polnische Demokratie herabwürdige und gefährde, während sie gleichzeitig die Europäische Union untergrabe.
PiS-Anhänger kehren diese Darstellung um. Nach ihrer Darstellung löste die aus Europa kommende ständige Kost an jihadistischer Gewalt, taharrusch, Banden für sexuelle Heranziehung von Mädchen zur Prostitution, Ehrenmorden, weiblicher Genitalverstümmelung, krimineller Aktivitäten, Sozialbetrug und kultureller Aggression ein Bedürfnis von unten, damit die Parteien eine Antizuwanderungs- und -islamisierungsplattform übernehmen. Der Merkel-Tsunami von 2015/16 mit seinen mehr als einer Million durch Europa laufenden Muslimen, machte den Polen Angst. Entsprechend lehnen 75 Prozent von ihnen muslimische Zuwanderung ab. Daher wird, so stellen sie fest, selbst dann, wenn der Hauptkonkurrent der PIS an die Macht kommt, das Muslim-Verbot in Kraft bleiben.
Von diesen zwei Interpretationen finde ich die zweite weit überzeugender. Die PiS ist nicht mehr verantwortlich für die Ängste vor Zuwanderung und Islamisierung als Europas andere zivilisationistische Parteien wie die Freiheitliche Partei Österreichs oder die italienische Lega. Sie alle reagierten auf wachsendes Unbehagen, hauptsächlich beim Boden des sozioökonomischen Spektrums. Sie repräsentieren die Europäer, die um ihre Zivilisation fürchten.
Abgesehen davon gibt es an der PiS vieles, das man kritisieren kann. Sie verschwendet Geld auf Sozialleistungen, die die Regierung sich nicht leisten kann und hat vom antikapitalistischen Wirtschaftstheoretiker Thomas Piketty das Konzept der "abhängigen Marktwirtschaft" übernommen. In einer überraschenden Zustimmung zur kommunistischen Vergangenheit will die PiS den Staat mächtiger machen, zum Beispiel indem er die Kontrolle über die Justiz übernimmt. Sie betreibt Verschwörungstheorien (besonders zum Flugzeugabsturz in Smolensk im April 2010). Sie befürwortet das idiotische Gesetz, das jemanden ins Gefängnis bringt, der "polnische Todeslager" erwähnt und machte dann alles noch schlimmer, als sie von "jüdischen Tätern" im Holocaust redete. (Allerdings machte sie letzte Woche unter internationalem Druck bezüglich der Drohung mit Gefängnisstrafe einen Rückzieher.)
Unter Vermerk dieser Probleme bleibe ich dabei, dass man die Partei unterrichten und beobachten sollte, nicht dämonisieren, damit sie aus ihren Fehlern lernen kann, während sie das Land vor der potenziell existenziellen Bedrohung durch den dem Islam intrinsischen Drang nach Macht schützt.
Warum haben die Polen so anders auf die muslimische Migration reagiert als die Westeuropäer? Die Homogenität des Landes und seine unsichere Geschichte (es verschwand für mehr als ein Jahrhundert von der Landkarte) sind beides Faktoren, aber was ich als entscheidend feststellte, war, dass die Polen spät ins Spiel eintraten, die massiven Fehler ihrer westlichen Nachbarn sahen und zu der Entscheidung kamen, diese nicht zu wiederholen.
Keine Sarmatier hier: Bilder wie diese aus dem Jahr 2015 sind das, was die polnische Meinung am stärksten änderte. Beachten Sie, dass es fast keine Frauen und Kinder gibt. |
Wie sehen die langfristigen Folgen für den Ausschluss muslimischer Migranten aus? Polen wird der heraufziehenden Krise Westeuropas entgehen. Weil Länder, angefangen mit Italien, versuchen ihre Grenzen zu kontrollieren und illegale Migranten auszuweisen, werden Spannungen, Aufstände und Gewalt folgen. Im Gegensatz dazu wird Polen (wie seine ehemaligen Nachbarn des Sowjetblocks) diese Krise aussitzen und vielleicht Exilanten aus Westeuropa aufnehmen.
Zwar ziehen diese Auswanderer in erster Linie nach Australien, Kanada und die Vereinigten Staaten, aber Polen könnte – angesichts seiner Nähe, persönlichen Sicherheit und niedrigen Lebenskosten – ein attraktives Ziel werden, besonders für Rentner und für Juden, die in Europas Westen Ziele von Anschlägen, aber in Polen zunehmend sicher sind.
Genauso wenig wie die EU in naher Zukunft nicht wieder christlich werden wird, wird es eine Islamisierung Polens geben.
Die Illustration der Washington Times für diesen Artikel. |