Nach Präsident Donald Trumps Entscheidung zum Rückzug der US-Truppen aus Syrien bat Caratteri Liberi Daniel Pipes, den Präsident des Middle East Forums, um einen Kommentar. Das Interview wurde von Niram Feretti durchgeführt.
Das Original auf Italienisch: "Il ritiro americano dalla Siria: Intervista a Daniel Pipes."
Caratteri Liberi: Präsident Trump kündigte im April 2018 seine Absicht an die amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen, aber dem folgte nichts; ranghöchste Personen der Administration deuteten sogar an, dass die Truppen verbleiben würden. Am 19. Dezember kündigte Trump plötzlich ihren Abzug an. Wie erklären Sie Trumps Entscheidung?
Daniel Pipes: Als Ergebnis von Intuition und Instinkt. Trump ist auf Grundlage dieser Qualitäten sehr weit gekommen, also vertraut er ihnen mehr als Meinungsumfragen oder Experten. Er betreibt in einem ungewöhnlichen Maß Solidarität und impulsive Entscheidungsfindung.
CI: Gibt es eine politisch rationale Erklärung hinter Trumps Entscheidung, z.B. um seine "Make America Great Again"-Anhänger zu beschwichtigen, die einen US-Rückzug aus der Welt da draußen wollen?
DP: Ich denke nein. Es ist eher so, dass sein isolationistisches Temperament dagegen ist, sich in (um Neville Chamberlain 1938 in Bezug auf die Tschechoslowakei-Krise zu zitieren) "eine Auseinandersetzung in einem weit entfernten Land zwischen Leuten verwickeln zu lassen, über die wir nichts wissen". Oder mit Trumps eigenen Worten: "Wir sind überall in der Welt verteilt. Wir befinden uns in Ländern, von denen die meisten Leute nicht einmal etwas gehört haben. Offen gesagt, ist das lächerlich."
Wie Chamberlain schert sich Trump nur wenig um "Länder, von denen die meisten nicht einmal etwas gehört haben". |
CI: Der nationale Sicherheitsberater John Bolton sagte im September über Syrien: "Wir werden nicht rausgehen, solange iranische Truppen sich außerhalb der iranischen Grenzen befinden und dazu gehören auch Stellvertreter des Iran und seine Milizen." Erwarten Sie, dass er der nächste ist, der zurücktritt?
DP: Das erwarte ich nicht; Bolton sieht sich als jemand, der viele Schlüsselziele in der Arbeit für Trump erreicht; wenn das bedeutet Launen und Widersprüchlichkeiten zu ertragen, wird Bolton das tun.
CI: Efraim Inbar hebt hervor, dass sowohl die Administrationen von Obama als auch Trump sich enorm aus dem Nahen Osten zurückgezogen haben und das geschwächte amerikanische Militär darin gespiegelt sehen, dass die Sechste Flotte keinen permanent zu geordneten Flugzeugträger im Mittelmeer mehr hat. Ist das korrekt?
DP: Ja, zwischen Obamas linker Ablehnung amerikanischer Macht und Trumps isolationistischer Anschauung hat die Macht des US-Militärs gegenüber der von vor zehn Jahren stark abgenommen.
Trump und Obama stimmen in einem überein: den amerikanischen Einfluss im Nahen Osten zu verringern. |
CI: Spielt Syrien zu verlasen Russland, dem Iran und der Türkei in die Hände und dient es US-Interessen?
DP: Diese Frage zu stellen, beantwortet sie.
CI: Berichte legen nahe, dass der türkische Präsident Erdoğan in einem Telefonat vom 14. Dezember die Notwendigkeit einer anhaltenden Stationierung in Syrien infrage stellte; er sagte Trump, dass er selbst die Bedrohung durch ISIS leicht in den Griff bekommen könne; erpicht drauf die amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen, nahm Trump sein Angebot an. Ist das glaubhaft?
DP: Sehr glaubhaft, besonders wenn man Trumps seltsame Affinität zu Diktatoren berücksichtig.
Trump und Erdoğan sind nicht immer so freundschaftlich miteinander umgegangen wie derzeit. |
CI: Was bedeutet die Entscheidung die amerikanischen Truppen abzuziehen für die Kurden Syriens?
DP: Die Anwesenheit auch nur eines einzelnen amerikanischen Soldaten bedeutete, dass die türkische Regierung es nicht wagte die kurdisch kontrollierte Region anzugreifen. Ohne die US-Truppen können die Türken jetzt einmarschieren – außer Putin sagt ihnen, sie sollten das lassen, weil er es vorzieht, dass die Iraner einmarschieren. Welcher Staat auch immer das ist, die von den Kurden kontrollierten Gebiete scheinen verloren.
CI: Was bedeutet der US-Truppenabzug für Israel?
DP: Nicht so viel. Ostsyrien ist ziemlich weit von Israel entfernt. Eine Kombination aus syrischer, türkischer und iranischer Kontrolle dort wird den jüdischen Staat nicht sonderlich beeinträchtigen.
CI: Aber Yossi Kuperwasser, der ehemalige Leiter der Recherche-Abteilung der IDF, betrachtet den US-Abzug als Übergabe der kompletten Kontrolle Syriens an Assad und die Iraner, was die Lieferung von Waffen aus dem Iran über den Irak nach Syrien und in den Libanon erleichtert und "es gibt dazwischen nichts, was sie aufhalten könnte".
DP: Stimmt, der Zugang des Iran nach Syrien und in den Libanon wird etwas erleichtert, aber Teheran hat während der letzten vierzig Jahre, seit 1979 seine Allianz mit dem Regime Assad begann, auch keinerlei Probleme gehabt diese Länder zu erreichen.
CI: Welche Art Strategie würde Sie gerne im Nahen Osten, besonders in Syrien angewendet sehen?
DP: Die US-Regierung sollte: (1) zu ihren Verbündeten stehen und sich gegen ihre Feinde stellen – und sich bewusst sein, wer diese sind – etwas das zur Zeit leider zum Beispiel in Sachen Türkei und Qatar nicht der Fall ist. (2) Den Islamismus als gefährlichste totalitäre Ideologie der heutigen Welt anerkennen. (3) Mit Diktatoren zusammenarbeiten, wo nötig, aber sie ständig unter Druck setzen sich für politische Teilhabe zu öffnen.