Aus der Internetseite der New York Times: "Ein konservativer amerikanischer Kommentator zu Nahost-Angelegenheiten führt sechs Gründe an, dass das palästinensische Territorium zu übernehmen sowohl den Beziehungen zwischen den USA und Israel als auch Israels Status als jüdischer Staat schaden würde.
Zur Diskussion dieses Artikels s. "A Reply to My Critics".
Ein Interview darüber: "I Believe in Compromise, Says Hawkish Pundit Under Fire for Opposing Annexation."
Dank des Plans "Frieden zu Wohlstand" der Administration Trump ist das Thema der Annexion von Teilen der Westbank durch Israel vom Rand ins Zentrum der israelischen Politik geraten. Die offenbare Nichteinmischung des US-Außenministeriums in der Frage hat Premierminister Benjamin Netanyahu dazu veranlasst sein Vertrauen zu äußern, dass die Annexion innerhalb "von ein paar Monaten" bzw. vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November stattfinden wird.
Ich bin keiner, der sich über die "Besatzung" der Westbank durch Israel aufregt: Aus meiner Sicht hätten die Palästinenser sich schon vor langer Zeit selbst regieren können, wenn sie aufgehört hätten Israelis zu ermorden. Ich übergehe die Clinton-Parameter, die Kompromissformel des ehemaligen arabischen Präsidenten zur Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts vor zwei Jahrzehnten. Im Gegenteil: Ich ermutige zu israelischen Schritten, die den Palästinensern signalisieren, dass der Konflikt vorbei ist und sie verloren haben.
Trotz dieser Sichtweise bin ich sehr dagegen, dass Israel irgendeinen Teil der Westbank annektiert und das aus sechs Gründen.
Man sollte Trump nicht wütend machen. |
Erstens könnte Präsident Trump durchaus in Wut auf Israel ausbrechen, weil es diesen Schritt einseitig unternimmt. Während der Trump-Plan den Israelis erlaubt rund 30 Prozent der Westbank zu annektieren, macht er das, wie das Außenministerium sie erinnert, "im Kontext dessen, dass die Regierung Israels zustimmt mit den Palästinensern zu verhandeln". Sollten die Israelis den ihnen genehmen Teil vorantreiben und den Rest ignorieren, werden sie Trumps monumentales Missfallen einfordern.
Zweitens würde die Annexion Israels schwindende Anzahl von Freunden in der Demokratischen Partei und in Europa verprellen und schwächen. Repräsentativ dafür nahm die Democratic Majority for Israel zur Annexion kein Blatt vor den Mund: "Wir können den möglichen langfristigen Schaden nicht überbewerten, den ein solcher Schritt für das Bündnis der USA mit Israel haben würde. Die Auswirkungen würden extrem schwerwiegend und lange anhaltend sein." Ranghohe Berater Joe Bidens vermittelten dieselbe Botschaft, ebenso eine Gruppe 30 außenpolitischer Schwergewichte der Demokratischen Partei, wenn auch weniger unverblümt. Gleichzeitig sowohl Trump als auch die Demokraten zu verprellen erfordert echtes Können. Zusätzlich verurteilten wichtige europäische Staaten die Aussicht auf eine Annexion und deuteten Vergeltung an. Ha'aretz zitierte den französischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Nicolas de la Rivière, mit den Worten, die Annexion "würde nicht unangefochten bleiben und wird in unserer Beziehung zu Israel nicht übersehen werden". Das könnte die Anerkennung eines Staats Palästina bedeuten.
Omans Sultan Qaboos (links) und Israels Premierminister Netanyahu: Sind solche Treffen gefährdet? |
Drittens: Als die Bedrohung durch den Iran in den letzten Jahren zugenommen hat, hat die israelische Regierung es erfolgreich geschafft die Verbindungen zu den sunnitisch-arabischen Staaten auszuweiten, besonders zu denen am Persischen Golf. Diese Arbeitsbeziehung basierte darauf, dass die arabischen Regierungen weniger Wert auf die Palästinenser-Frage legen; nichts sorgt mit mehr Sicherheit dafür, das Thema wieder heftig zum Leben zu erwecken als die Provokation einer einseitigen israelischen Annexion. Jahrelange harte Arbeit, geleitet von Netanyahu selbst, könnte sich schnell in Luft auflösen.
Viertens: Annexion würde höchstwahrscheinlich zu palästinensischer Wut führen, die durchaus Jordanien, die Westbank und den Gazastreifen destabilisieren könnte. Bei Jordaniens palästinensischer Bevölkerung hat sich die alten revolutionäre Leidenschaft abgekühlt, aber eine Annexion könnte sie wieder aufputschen und unnötigerweise die Monarchie herausfordern. Einwohner der Westbank könnten eine neue Intifada – Aufstand – beginnen, was Israelis das Leben kosten und sein internationales Ansehen schädigen könnte. Davon ermutigt könnten die Hamas-Herrscher eine neue Runde des Krieges anfangen.
Eine weitere Intifada: Was Israel nicht braucht. |
Fünftens wird eine Annexion die israelische Linke mit Sicherheit verprellen; das könnte zumindest zu einem bösen politischen Kampf führen und wahrscheinlich dazu, dass einige israelische Zionisten antizionistisch werden und einige Israelis angewidert das Land verlassen.
Sechstens würde eine Annexion wahrscheinlich mehr Palästinensern das Recht geben Staatsbürger Israels zu werden. Das wäre ein tiefgreifender Fehler, weil seine arabischen Bürger meiner Meinung nach der ultimative Feind des Status Israels als jüdischer Staat sind, der auch nach der Bewältigung der Bedrohungen durch den Iran und den Gazastreifen weiterbestehen wird. Ihre Treue muss gewonnen werden und je mehr sie sind, desto schwieriger wird das.
Kurz gesagt: Die Annexion der Westbank würde vermutlich Israels Beziehungen zur Administration Trump beschädigen, zu den Demokraten, den Europäern und den arabischen Führern, sowie die Region destabilisieren, die israelische Linke radikalisieren und dem zionistischen Ziel des jüdischen Staates Schaden zufügen.
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Premier Benjamin Netanyahu gibt im Februar nahe der israelischen Stadt Har Homa in der Westbank eine Erklärung ab |
Und was erreicht die Annexion eigentlich? Sie ist ein symbolischer Schritt, eine Geste gegenüber Israelis, deren Leben in der Westbank sie rechtlich in der Luft hängen lässt. Die Annexion befreit sie jedoch nicht aus dieser Lage, da wahrscheinlich keine wichtige Regierung der Welt die Veränderung ihres Rechtsstatus anerkennen wird.
Die Schlussfolgerung ist einfach: Spielt nicht mit Trumps Temperament, bringt die Demokraten und Europäer nicht gegen euch auf, verprellt nicht die Araberführer, erzürnt nicht die Palästinenser, radikalisiert nicht die israelische Linke und fügt Israel keine palästinensischen Staatsbürger hinzu.
Israel muss sich gegen die Palästinenser behaupten; aber diese Behauptung muss strategisch erfolgen, Teil der Gesamtkampagne sein die Palästinenser zu überzeugen ihr Ziel der Eliminierung des jüdischen Staats aufzugeben. Daher gibt sie, trotz ihrer Absicht, der antizionistischen Sache Auftrieb und schiebt eine Lösung des Konflikts weiter weg.
Entsprechen müssen Freunde Israels zur Annexion der Westbank laut und deutlich "Nein" sagen.
Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
© 2020 Daniel Pipes – alle Rechte vorbehalten
Nachtrag vom 7. Mai 2020:
Aus Platzgründen fehlen im obigen Text mehrere Punkte:
(1) Zu anderen Gründen, die gegen die Annexion sprechen, gehören die weitere Verstimmung der Diaspora-Juden und dass sie zunehmendem Antisemitismus ausgesetzt sind.
(2) Zum Argument, dass die annektierten Teile der Westbank solide Teil Israels und damit von zukünftigen Verhandlungen ausgenommen sein werden, bedenken Sie, dass Israel 1980 die Golanhöhen annektierte und dann in der Zeit von 1994 bis 2000 über sie verhandelte, wobei man kurz davor war sie an Syrien zurückzugeben. So viel dazu.
(3) Einzig Guatemala folgte den USA bei der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels; sollte die Administration Trump die israelische Annexion von Teilen der Westbank anerkennen, wären sie erneut fast die einzige Regierung das zu tun, was die Bedeutung dieses Schrittes limitiert.
(4) Das erinnert daran, dass lediglich drei Staaten (Großbritannien, der Irak und Pakistan) Jordaniens Souveränität über die Westbank 1950 bis 1967 anerkannten. Und nur die Türkei erkennt die Türkische Republik Nordzypern an.
(5) 2017 stimmten 93 Prozent der irakischen Kurden dafür, aus der Kurdischen Regionalregierung (KRG) einen unabhängigen Staat zu machen. Das führte dazu, dass alle Nachbarn die KRG abstraften und sie zwangen ihre Schritte zur Unabhängigkeit abzubrechen. Die KRG war am Ende dieser Erfahrung schwächer und ärmer.
Nachtrag vom 8. Mai 2020:
Eine Meinungsumfrage stellte fest, dass nur 26 Prozent der jüdischen Israelis (und wahrscheinlich 21 Prozent aller Israelis, nimmt man die muslimischen Staatsbürger hinzu) für die Annexion sind.
Nachtrag vom 10. Mai 2020:
Eine zweite Umfrage legt nahe, dass frühere israelisch-jüdische Meinungen zum Thema Annexion der Westbank fließend sind; sie stellte fest, dass 52 Prozent diesen Schritt unterstützen – doppelt so viele wie bei der vorherigen Umfrage.