Die vollständige Version dieser Analyse finden Sie (auf Englisch) in "Why Israelis Shy from Victory", Middle East Quarterly, Herbst 2018.
Wir, die für einen Sieg Israels eintreten, sehen mit Erschrecken, dass Qatars Regierung Israel mit der Beendigung seiner finanziellen Spenden an den Gazastreifen droht, womit zu Verstehen gegeben wird, dass die Hamas ihre Brandballon-Angriffe wieder aufnehmen wird. Wo, fragen wir uns, sind diese außergewöhnlichen Streitkräfte, die in sechs Tagen drei Staaten besiegten, den Entebbe-Überfall zustande brachten und Irans Atomarchiv erbeuteten?
Alle strahlen, als Hamas-Führer Ismail Haniyeh (links) Qatars Emir Tamim bin Hamad al-Thani im Dezember 2019 in Doha traf. Und Israels Sicherheits-Establishment gefällt das. |
Israels Sicherheits-Establishment, stellt sich heraus, hat einen Doppelgänger, einen nicht gefeierten, defensiven, wortkargen Gegenpart, der nach den Oslo-Vereinbarungen von 1993 zum Umgang mit den Palästinensern in der Westbank und dem Gazastreifen auftauchte; der eine, der im Jahr 2014 50 Tage brauchte, um eine unbedeutende Militäroperation zu Ende zu bringen und es nicht schafft brennende Ballons aufzuhalten, die aus dem Gazastreifen kommen. Die klassische IDF will siegen, aber die palästinensische will einfach nur Ruhe haben.
Was ist der Grund für seine Zaghaftigkeit? Hier gibt es sechs Faktoren:
Israelische Regierungen bestehen aus Koalitionen mit vielen Partnern, die dazu tendieren, so beschreibt es Jonathan Spyer, "die Konzentration auf langfristige strategische Fragen zu vermeiden und es stattdessen vorziehen momentane Bedrohungen anzugehen". Warum sich mit einem Problem wie dem Gazastreifen beschäftigen, wenn man es vor sich herschieben kann?
Gleichermaßen sind Israels Sicherheitsdienste stolz darauf sich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen, nicht mit der nebelhaften Zukunft. Wie der zweifelhafte Befehl eines israelischen Offiziers an seine Truppe lautete: "Sichert die Gegend bis zum Ende eurer Schicht." Die Ehefrau von Premierminister Yitzhak Rabin, Leah, erklärte diese Mentalität einst: "Er war sehr pragmatisch, hasste es, sich mit dem zu beschäftigen, was in ein paar Jahren passieren könnte. Er dachte nur an das, was jetzt geschehen könnte, in der sehr nahen Zukunft." Ähnlich erklärt Einat Wilf, dass die IDF den Fluss von Geldern aus Qatar in den Gazastreifen fördert, weil sie glaubt, das würde ihr Ruhe erkaufen: "Sie wird alles Mögliche tun um sicherzustellen, dass die Gelder weiter fließen, selbst wenn das bedeutet, dass die Ruhe auf Kosten eines Krieges gekauft wird, der noch Jahrzehnte weiter gehen wird."
Genauso, wie die Polizei Kriminelle als nicht unverbesserliche Unruhestifter ansieht, betrachten die verschrumpelten israelischen Sicherheitschefs die Palästinenser als unverbesserliche Gegner und lehnen die Vorstellung ab, dass diese Gegner eine Lektion lernen können; können Löwen Hyänen läutern? Sicherheitstypen lehnen eine harte Herangehensweise ab, weil sie Ärger vermeiden wollen. Diese Einstellung mag sie wie Linke klingen lassen, das sind sie aber nicht; lange und bittere Erfahrung, nicht nebulöser Idealismus, erklärte ihre Zurückhaltung.
Ewige Feinde: Hyänen und Löwen |
Die israelischen Sicherheitsorgane wollen nicht wieder direkt über die Westbank und den Gazastreifen herrschen; weil sie einen Zusammenbruch der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) oder der Hamas fürchten, behandeln sie diese ehrerbietig. Sie betrachten die PA unter Mahmud Abbas bei all ihren Unzulänglichkeiten als nützlichen Sicherheitspartner. Stimmt, diese stachelt innenpolitisch zu Mord auf und spricht dem Staat Israel international die Legitimität ab, aber lieber diese Aggressionen ertragen als Abbas zu bestrafen, seinen Sturz herbeizuführen und den Albtraum wiederzubeleben durch die Straßen von Nablus gehen zu müssen. Also kommt er mit Mord davon.
Eine Kombination aus palästinensischer militärischer Schwäche und intensiver internationaler Prüfung hat Israels SIcherheits-Establishment dazu veranlasst die Palästinenser eher als Kriminelle denn als Soldaten zu sehen; sich mit ihnen zu beschäftigen hat die IDF mehr in eine Polizeitruppe verwandelt, die eine defensive Mentalität hat, bei der Stabilität als eigenes Ziel betrachtet wird. Generäle gehen nicht mit dem Ziel in die Schlacht das Leben ihrer Soldaten zu retten; aber Polizeichefs wollen, dass die Bekämpfung von Kriminellen keine Gesetze verletzt und niemandem Schaden zufügt. Generäle streben nach Sieg, Polizeichefs streben nach Ruhe.
Schließlich wird effektives handeln durch einen übertriebener Sinn für Moral gestört. 2018 rechtfertigte IDF-Generalstabschef Gadi Eizenkot Passivität gegenüber den Ballon-Brandstiftern mit der Augen öffnenden Begründung, dass "einen Bombe auf Leute zu werfen, die Ballons und Drachen steigen lassen" seiner "operativen und moralischen Haltung widerspricht".
Das Trio ehemaliger Generalstabschefs, die die Partei Blau und Weiß gründeten. |
Dieses zaghafte Sicherheits-Establishment und eine geschwächte Linke stehen der Lösung der Palästinenserfrage am meisten im Weg; immer wieder haben ihre beschwichtigenden Ansichten obsiegt. Glücklicherweise hat das Sicherheits-Establishment Dissidenten und die erheben ihre Stimmen, besonders nachdem sie den aktiven Dienst verlassen. Gerschon Hacohen fordert, dass politische Führungskräfte ihre Entscheidungen nicht durch die Militärführung treffen lassen; Yossi Kuperwasser fordert einen Sieg Israels; Uzi Dayan will, dass das Militär den Führungspolitikern des Landes die Mittel für einen Sieg an die Hand gibt. Selbst das Trio ehemaliger Generalstabschefs, die die Partei Blau und Weiß gründeten, forderte hartes Handeln.
Die Lösung des Palästinenser-Problems erfordert ein Ende der Spaltung in Israels Verteidigungs-Establishment und die Rückkehr zu einer einheitlichen Streitkraft, die sich dem Gewinnen verpflichtet, dazu, die Palästinenser davon zu überzeugen, dass der Konflikt vorbei ist, dass sie verloren haben und dass sie ihre Kriegsziele aufgeben sollten.
Daniel Pipes (www.DanielPipes.org @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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