Im Westen scheinen Konversionen im Zusammenhang mit dem Islam eine Einbahnstraße zu dessen Gunsten zu sein. Zu berühmten Neu-Gläubigen gehören Kareem Abdul-Jabbar, Muhammad Ali, Malcolm X, Keith Ellison und Sinéad O'Connor, außerdem gibt es auffallend damit Flirtende wie Prinz Charles, Michael Jackson und Lindsay Lohan. Zudem gibt es rund 700.000 afroamerikanische Konvertiten und deren Nachkommen.
Muhammad Ali und Malcolm X 1964 in New York City |
Tatsächlich gibt es aber zwei Richtungen. Eigentlich haben geborene Muslime, die den Islam verlassen, weit größeren Einfluss als Konvertiten zum Islam.
Fürs Erste ein paar Zahlen: In Frankreich konvertieren nach einer Schätzung von 2007 jährlich rund 15.000 Muslime zum Christentum. Etwa 100.000 amerikanische Muslime verlassen jedes Jahr den Islam, berichtet eine Umfrage des Pew Research Centers von 2017. Das ergibt 24 Prozent aller Muslime in den USA, wobei Iraner überproportional repräsentiert sind. Diese Zahlen gleichen in etwa die der zum Islam konvertierenden Nichtmuslimen aus.
Die Gründe dafür, den Islam zu verlassen, variieren: Pew stellt fest, dass 25 Prozent der amerikanischen Ex-Muslime allgemeine Probleme mit Religion haben, 19 Prozent besonders mit dem Islam, 16 Prozent ziehen eine andere Religion vor und 14 Prozent führen Gründe persönlicher Reife an. Etwas mehr als die Hälfte derer, die den Islam verlassen (55 Prozent), geben Religion komplett auf und etwas weniger als ein Viertel (22 Prozent) konvertiert zum Christentum.
2008 taufte Papst Benedikt persönlich Magdi Allam |
Apostaten sind hauptsächlich auf drei Weisen eine Herausforderung des Islam: Sie verlassen öffentlich den Islam, sie organisieren sich mit anderen Ex-Muslimen und sie lehnen die Botschaft des Islam ab.
Erstens: Sich offen vom Glauben abzukehren ist ein radikaler Akt, der in einem mehrheitlich muslimischen Land wie dem Iran zur Hinrichtung führen kann. Selbst im Westen trifft er auf die Ablehnung durch Familie, soziale Ausgrenzung, Demütigung, Verfluchung, Bedrohungen, Vergeltungsmaßnahmen und gewalttätige Übergriffe. Entsprechend tendieren Konversionen weg vom Islam dazu verhalten oder im Verborgenen stattzufinden wie im Fall des britischen Schriftstellers Salman Rushdie und des Popstars Zayn Malik. Der frühere argentinische Präsident Carlos Menem spielte seinen Glaubensabfall herunter; Barack Obama stritt seinen aufwändig ab.
Trotzdem legen einige Konvertiten Wert darauf den Islam öffentlich zu verlassen; mit ihrem Beispiel machen sie anderen Mut. Ibn Warraq schrieb Why I Am Not A Muslim. Nonie Darwish und Ayaan Hirsi Ali schrieben Bücher darüber, wie sie "Ungläubige" wurden. Der Journalist Magdi Allam konvertierte durch die Hand von Papst Benedikt in einer weithin im Fernsehen übertragenen Feier.
Zweitens tun im Westen lebende Ex-Muslime etwas in mehrheitlich muslimischen Ländern Unvorstellbares: Angefangen 2007 mit Deutschlands Zentralrat der Ex-Muslime haben sie Dutzende öffentlicher Ex-Muslim-Organisationen organisiert, um sich gegenseitig zu unterstützen, Argumente auszufeilen, lästige Fragen (wie weibliche Genitalverstümmelung) aufzubringen und den Islamismus zu bekämpfen.
Bruder Rachids Fernsehsendung aus den USA hat viele Arabisch sprechende Muslime erreicht. |
Drittens haben Ex-Muslime im Westen mit ihren Büchern, Radio- und Fernsehauftritten, E-Mail-Wellen und sozialen Medien eine beeindruckende Reichweite in traditionelle muslimische Gemeinschaften entwickelt. Fast ungestraft verbreiten sie kluge Botschaften auf Arabisch und in anderen wichtigen Sprachen. Manche (wie Wafa Sultan, Zineb El-Rhazoui und Hamed Abdel-Samad) konzentrieren sich darauf den Islam zu verurteilen, andere helfen Atheisten in den Westen zu fliehen. Konvertiten zum Christentum (wie Bruder Rachid) führen oft religiöse Streitgespräche oder erklären (wie Sohrab Ahmari) ihre spirituelle Reise.
Konvertieren, organisieren, missionieren: Auf diese Weise senden lautstarke Ex-Muslime Schockwellen, besonders in ihre Herkunftsländer, wo der Islam historisch durch Brauch und Gesetz vor jeder Kritik oder gar Ironie geschützt wird, wo Repression und Strafe antiislamische Sichtweisen illegal machen. Besorgte Obrigkeiten verbieten christliche Mission und zensieren die Stimmen der Ex-Muslime. Sie stellen sogar Verbindungen dieser Bewegung zu einer "zionistischen Verschwörung" her, obwohl solche Bemühungen tendenziell so ineffektiv wie plattitüdenhaft sind.
Ein ergreifender anonymer Brief aus Karachi (Pakistan) an den Observer während des Höhepunkts der Kontroverse um die Satanischen Verse 1989 zeigt die Inspiration der Botschaft eines Ex-Muslim. Der Briefschreiber antwortete auf Ayatollah Khomeinis Aufruf zur Ermordung von Salman Rushdie, weil der Romanautor respektlos über Mohammed schrieb:
Meine Stimme ist noch in keiner Zeitungskolumne zu Wort gekommen. Es handelt sich um die Stimme derer, die als Muslime geboren wurden, aber als Erwachsene abschwören wollen, denen das aber unter Androhung des Todes nicht erlaubt wird. Jemand, der nicht in einer islamischen Gesellschaft lebt, kann sich die Maßnahmen nicht vorstellen, weder die selbst auferlegten noch die von außen, die gegen den Ausdruck religiöser Überzeugungen sprechen. ... Dann kommt Rushdie und spricht für uns. Erzählt der Welt, dass es uns gibt – dass wir nicht einfach bloße Erfindungen irgendeiner jüdischen Verschwörung sind. Er beendet unsere Isolation.
Mit Leidenschaft und einer einzigartigen Autorität drängen Ex-Muslime Gläubige dazu, kritisch über ihren Glauben zu denken. Ihre Bemühungen haben beträchtlich zu einem allgemeinen Rückgang der Religiosität beigetragen, der heute bei Muslimen deutlich im Gang ist, besonders bei der Jugend. Der Economist fasst eine aktuelle Umfrage von Arab Barometer so zusammen: "Viele [Arabisch sprechende] Muslime scheinen den Islam aufzugeben."
Auf diese Weise stellen ungestüm eigensinnige Ex-Muslime die Religion ihrer Geburt in Frage, was hilft sie zu modernisieren und ihren Zugriff zu verringern. Sie befinden sich mit dieser Rolle erst am Anfang.
Daniel Pipes (www.DanielPipes.org @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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