Stellen Sie sich vor, bei der Eroberung Jerusalems 1967 hätte Israels Regierung Nichtjuden den Besuch des Tempelbergs verboten. Dann stellen Sie sich vor, ein saudischer Muslim hätte sich auf den Berg geschlichen, behauptet ein jüdischer Amerikaner zu sein und seinen Besuch im saudischen Fernsehen ausgestrahlt. Er würde sicher weltweite Unterstützung dafür finden Israels "Apartheid"-Regime herauszufordern.
Das ist in etwa, das, was umgekehrt am 18. Juli passierte, als Gil Tamary – ein jüdisch-israelischer Fernsehjournalist, der auch einen US-Reisepass hat – Bilder von sich selbst im israelischen Fernsehen ausstrahlte, wie er durch Mekka fuhr, der heiligsten Stadt des Islam, die für Nichtmuslime tabu ist. Die zehnminütige Sendung zeigte Tamary, wie er an der Großen Moschee vorbeifährt, durch Mina fährt, einer Stelle der jährlichen Pilgerfahrt, und auf den Berg Arafat steigt.
Gil Tamary erzählt im israelischen Fernsehen die Geschichte seines Besuchs auf dem Berg Arafat bei Mekka. |
Tamarys Arbeitgeber Kanal 13 feierte den Besuch als "eine wichtige journalistische Leistung". Die Reaktion andernorts ist erbittert kritisch und das nicht nur bei Muslimen. Die saudischen Behörden führten das Rudel an und zeigten Tamary wegen einer Straftat bei der Staatsanwaltschaft an. Der pro-israelische saudische Blogger Moahmmed Saud tadelte Tamary wegen "Verletzung der Religion des Islam". Israels Minister für regionale Kooperation nannte es "als eine dämliche Sache"; ein ungenannter ranghoher US-Vertreter beschrieb es als "wirklich rücksichtslos und respektlos"; und Melanie Phillips als Kolumnistin der Times of London und Autorin von "Londonistan: How Britain Is Creating a Terror State Within" (2006) schrieb, sie fände es "schwierig die Dummheit, Arroganz und Unverantwortlichkeit von Tamarys Besuch zu übertreiben".
Tamary bat um Vergebung. "Wenn irgendjemand an diesem Video Anstoß nimmt, dann entschuldige ich mich zutiefst", twitterte er auf Englisch. "Der Zweck der ganzen Unternehmung bestand darin die Wichtigkeit von Mekka und die Schönheit der Religion zu demonstrieren und damit mehr religiöse Toleranz und Inklusion zu fördern."
Obwohl die Verurteilung – und die Entschuldigung – vorhersagbar waren, sind beide fehlgeleitet. Ja, Tamarys Besuch könnte zu jihadistischer Gewalt gegen Juden und den jüdischen Staat anspornen. Ja, er könnte den behutsamen, halb heimlichen und wichtigen Tanz stören, der den Weg zu einer israelisch-saudischen Entente ebnen könnte. Ja, er könnte die Modernisierungsbemühungen behindern, die von Kronprinz Mohammed bin Salman initiiert wurden. All das könnte passieren – aber jeder durch dieses Abenteuer verursachte Schaden wird vermutlich minimal sein.
Beachten Sie stattdessen das außergewöhnlich positive Potenzial. Tamary trat der kleinen Gruppe Nichtmuslime bei, die seit der Gründung vor 1.400 Jahren dem Ausschluss von Ungläubigen von ihren heiligen Bezirken ausschließt trotzten. 1951 schrieb der libanesisch-amerikanische Historiker Philip Hitti, dass "nicht mehr als fünfzehn als Christen geborene Europäer bisher den Erfolg hatten die zwei heiligen Städte" Mekka und Medina – "zu sehen und lebend davonzukommen."
Seit Hitti das in den 1970-er Jahren schrieb, wissen wir nur von drei Fällen von Nichtmuslimen, die Mekka verstohlen betraten. 2007 schlüpfte Nirosh Kamanda, ein christlicher LKW-Fahrer aus Sri Lanka, in die Stadt, um nahe der Großen Moschee Waren zu verkaufen. 2015 veröffentlichte ein britisch-christlicher Arabist unter dem Pseudonym Haddsch Mustafa einen Bericht seiner Undercover-Reise über die jährliche Pilgerreise, die er als "eine bemerkenswerte spirituelle und soziale Reise" befand. Jetzt schließt sich Tamary ihren Reihen an, nachdem er kühn einen archaischen Status quo infrage stellte, den die Welt gedankenlos akzeptiert. Bravo für seinen Tabu-Bruch.
Tamary ist nicht der einzige, der Respekt verdient; das tut auch sein saudischer Fahrer. Er ist vermutlich die Person, die die saudische Polizei aufspürte, verhaftete und beschuldigte "Komplize beim Transfer und der Ermöglichung des Zugangs" für einen Nichtmuslim zu sein und erklärte, dass "jede Verletzung dieser Art als Verbrechen betrachtet wird, das man nicht toleriert und das bestraft werden wird".
Die Ausschluss-Politik ist nicht nur ungerecht; sie ist auch vom Islam nicht vorgeschrieben. Der Koran verbietet Polytheisten in Sure 9,28 nur den Zugang zur Großen Moschee – er verbietet nicht jedem Nichtmuslim den Besuch Mekkas. Als Teil seiner durchschlagenden Reformen sollte Kronprinz Mohammed die Stadt Mekka, ihre Umgebung und Medina für alle Kommenden öffnen. Die Moscheen bleiben exklusiv für Muslime, aber alles andere sollte zugänglich sein. Internationale und Nichtregierungsorganisationen sollten Druck auf ihn ausüben die diskriminierenden Gesetze seines Landes zu beenden.
Tamary nutzte seine Chance, initiierte eine Diskussion und machte möglicherweise einen historischen Unterschied. Er verdient Respekt, keine Verdammung.
Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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