Während für Ägypten der lange erwartete Moment der Krise kam und Volksaufstände die Regierungen im gesamten Nahen Osten erschütterten, steht der Iran wie nie zuvor im Zentrum der Region. Für seine islamistischen Herrscher ist die Dominierung der Region in Sicht. Doch Revolutionen sind schwierig zustande zu bringen, weshalb ich voraussage, dass die Islamisten keinen Durchbruch im gesamten Nahen Osten erreichen werden und Teheran nicht als Schlüssel-Machthaber daraus hervorgehen wird. Hier einige Gedanken, die zu diesem Schluss führen:
Der Tahrir-Platz in Kairo am 25. Januar 2011. |
Teil des Kalten Krieges des Nahen Ostens: Der Nahe Osten ist seit Jahren in zwei große Blöcke geteilt, die sich einen regionalen Kalten Krieg um Einfluss liefern. Zu dem vom Iran geführten Widerstandsblock gehören die Türkei, Syrien, der Gazastreifen und Qatar. Zum von Saudi-Arabien angeführten Status-quo-Block gehören Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, die Westbank, Jordanien, der Jemen und die Emirate am Persischen Golf. Beachten Sie, dass der Libanon sich gerade in diesen Tagen vom Widerstand hin zum Status quo bewegt und dass die Unruhen nur in Ländern des Status-quo-Blocks stattfinden.
Die besondere Situation Israels: Israelische Führungspolitiker halten sich bedeckt und dass das Land diesbezüglich fast bedeutungslos ist, unterstreicht die Zentralität des Iran. Israel hat zwar durch die Gewinne des Iran einiges zu befürchten, doch das hebt den jüdischen Staat gleichzeitig als Insel der Stabilität und einzigen verlässlichen Verbündeten des Westens im Nahen Osten heraus.
Das Fehlen von Ideologie: Die den Diskurs des Nahen Ostens dominierenden Parolen und Verschwörungstheorien fehlen weitgehend bei den Mengen, die sich vor den Regierungseinrichtungen versammeln und ein Ende der Stagnationen, Willkür, Korruption, Tyrannei und Folter fordern.
Militär vs. Moschee: Die jüngsten Ereignisse bestätigen, dass dieselben beiden Kräfte – die Streitkräfte und die Islamisten – rund 20 Nahost-Staaten beherrschen: Das Militär wendet rohe Gewalt an; die Islamisten bieten eine Vision. Es gibt Ausnahmen – eine dynamische Linke in der Türkei, ethnische Lager im Libanon und dem Irak, Demokratie in Israel, islamistische Kontrolle im Iran – aber dieses Muster ist weithin gültig.
Der Irak: Es fällt auf, dass das unbeständigste Land der Region, der Irak, bei den Demonstrationen fehlt, denn seine Bevölkerung sieht sich nicht einer Jahrzehnte alten Autokratie gegenüber.
Ein Militärputsch? Die Islamisten wollen ihren Erfolg im Iran durch Ausnutzung der Volksunruhen wiederholen und über sie an die Macht kommen. Die Erfahrung Tunesiens verdient wegen eines Musters eine genauere Untersuchung, das sich woanders wiederholen könnte. Die Militärführung dort kam offenbar zu dem Schluss, dass Zine El-Abidine Ben-Ali als seinen starken Mann zu pflegen zu aufwändig wurde – besonders durch die extravagante Korruptheit der Familie seiner Frau – um ihn an der Macht zu halten, also vertrieben sie ihn und stellten als Zugabe noch einen internationalen Haftbefehl gegen ihn und seine Familie aus.
General Omar Suleiman – Ägyptens vierter Militärherrscher seit 1952? |
Dieses Szenario könnte sich andernorts wiederholen, insbesondere in Ägypten, wo die Soldaten die Regierung seit 1952 beherrschen und vorhaben ihre Macht gegen die Muslimbrüder zu behaupten, die sie seit 1954 unterdrücken. Dass der starke Mann Hosni Mubarak Omar Suleiman ins Amt hob, beendet den dynastischen Anspruch der Familie Mubarak und steigert die Aussicht darauf, dass der Präsident zugunsten einer direkten Militärherrschaft zurücktritt.
Weiter gefasst, wette ich auf mehr Kontinuität statt Wandel als Modell, wie es sich bisher in Tunesien ergab. Die unterdrückerische Herrschaft wird in Ägypten und andernorts ein wenig gelockert, aber das Militär wird der ultimative Machthaber bleiben.
US-Politik: Die US-Regierung hat eine entscheidende Rolle dabei, Nahoststaaten beim Übergang von der Tyrannei zur politischen Teilhabe zu helfen, ohne dass die Islamisten diesen Prozess an sich reißen. George W. Bush hatte 2003 die richtige Idee, als er Demokratie forderte, aber er verdarb diese Bemühung dadurch, dass er sofortige Ergebnisse verlangte. Barack Obama fiel erst wieder in die alte, fehlgeschlagene Politik des Nettseins zu Tyrannen zurück; jetzt stellt er sich kurzsichtig auf die Seite der Islamisten gegen Mubarak. Er sollte es Bush gleich tun, aber einen besseren Job als dieser machen, indem er begreift, dass Demokratisierung ein Jahrzehnte dauernder Prozess ist, der die Einimpfung dem Bisherigen widersprechender Ideen zu Wahlen, freier Meinungsäußerung und Rechtsstaatsprinzip erfordert.