RT, der Sender der russischen Regierung - und Nachfolger der Prawda aus der Sowjet-Ära - veröffentlichte einen Artikel mit der extremen, Aufmerksamkeit suchenden Schlagzeile "'Wir Millionen sind alle Palästinenser': Weltweite Protestwelle fordert Ende des Schlachtens in Gaza". Der Artikel fährt damit fort antiisraelische Demonstrationen aufzulisten. Wenn man den Artikel aber tatsächlich liest, wird schnell klar, dass die Schlagzeile zwei wichtige Ungenauigkeiten enthält:
1. Es gibt keine beteiligten "Millionen". Sie sind weit davon entfernt. Mit den von RT angegebenen Zahlen stellen wir fest, dass sie weit geringer sind: 17 Teilnehmer; mehr als 10.000; 1,300; mehrere Dutzend; 4.000; und 150 Demonstranten.
2. Die Proteste fanden kaum "weltweit" statt. RT führt auf, dass es sie in den Vereinigten Staaten, Argentinien, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Frankreich, Deutschland und Australien gab.
Eine antiisraelische Demonstration am 16. Juli in Lyon (Frankreich). |
Weitere Recherche ergibt, dass außerdem Proteste in Chile, Island, Belgien, Australien, Polen, Tunesien*, Griechenland, der Türkei*, dem Libanon*, Israel, Ägypten*, Jordanien*, Südafrika, Indonesien* und Japan stattfanden. (* bedeutet: mehrheitlich muslimische Länder)
Zählt man die zweifelhaften Zahlen von RT zusammen, stellt man fest:
1. RTs Schätzung, dass 6 Demonstrationen insgesamt rund 15.000 Teilnehmer hatten, würde bedeuten, dass an jeder durchschnittlich 2.600 Protestierende teilnahmen.
2. Demonstrationen haben in 23 Ländern stattgefunden; 6 davon - rund 25 Prozent - haben eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung.
Kommentare:
1. Im Gegensatz zu den drei ähnlichen Kriegen der letzten Zeit mit israelischer Beteiligung (die von 2006, 2008/09 und 2012) hat dieser (noch) nicht wirklich einen Nerv getroffen. Tatsächlich hat Israel, wie ich dokumentiert habe, überraschende Unterstützung gewonnen, während die Hamas sich überraschender Opposition gegenüber sieht.
2. Dass die große Mehrheit der Demonstrationen im Westen stattfand, legt nahe, dass Menschen in mehrheitlich muslimischen Staaten dringendere Sorgen haben - so die Tatsache, dass der Islamische Staat im Irak und Syrien (ISIS) gerade bei der Einnahme eines Gasfelds in Syrien 270 Menschen tötete und - nach 2.000 Jahren - die gesamte christliche Bevölkerung von Mossul mit Gewalt vertrieb. Weiter gefasst: Der arabisch-israelische Konflikt sieht im Vergleich mit der Angst vor einer die gesamte Region destabilisierenden iranischen Aggression wie eine Kleinigkeit aus.
3. In der Hoffnung einen virulent antiisraelischen Rausch aufzupeitschen, sind RT und Seinesgleichen auf die Veröffentlichung leicht zu überprüfender Übertreibungen reduziert worden, die auch als armselige, faustdicke Lügen beschrieben werden können.
(19. Juli 2014)