Des Transkript wurde leicht editiert.
Einführende Stellungnahme von Daniel Pipes:
Erick Stakelbeck: Unser nächster Redner ist, in meinen Augen, eine der brillantesten Stimmen von Denkern und Analysten all dieser Fragen, über die wir reden; und er war das schon, bevor irgendjemand anderes darüber sprach. Dr. Daniel Pipes ist der Präsident der Middle East Forum und Kolumnist bei der National Review und der Jerusalem Post. Sie können seine Texte und viele weitere Veröffentlichungen überall lesen . Er ist Autor mehrerer Bücher zum Nahen Osten und zum Islam. Er ist eine echte Autorität. Dr. Daniel Pipes.
Daniel Pipes: Danke, Erick und guten Morgen, meine Damen und Herren. Mein Thema ist die europäische Reaktion auf die Migrationswelle, die stattfand und weiter stattfindet. Allerdings gab es die größte Zahl an Migranten nach Europa im Oktober; weit mehr als im September oder Juli oder August. Und die Zahl vom Oktober war neunmal höher als die im Oktober davor.
Ich nehme an, dass Menschen auf Realitäten vor Ort reagieren und dass der jüngste Anstieg der Migrantenzahlen die Haltungen in Europa beeinflusst. Ich erwarte, dass dies tiefgreifende Auswirkungen haben wird, dass wir erst angefangen haben die Folgen zu sehen. Die erste bedeutende Folge ist die Wahl in Polen, die direkt von der Angst vor großen Zahlen an ins Land kommenden Migranten beeinflusst war. Ich erwarte, dass die Auswirkungen in Ländern wie Österreich, Deutschland und Schweden besonders akut sein werden; die Regierungen dort sind am enthusiastischsten darin gewesen große Zahlen an Migranten ins Land zu holen. Eine Frage kann ich Ihnen nicht beantworten: Wie schnell wird das stattfinden? Aber es ist klar im Gang.
Ein wichtiger Faktor sind in diesem Zusammenhang die bestehenden Institutionen. In einigen Ländern gibt es politische Parteien, intellektuelle Verbände und Freiwilligen-Organisationen, denen man sich anschließen kann, wenn man sich wegen der Immigration Sorgen macht. Insbesondere gibt es politische Parteien, vornehmlich z.B. die PVV von Geert Wilders in den Niederlanden. In anderen Ländern wie Deutschland gibt es keine solche Partei. Es gibt Möglichkeiten. Vielleicht werden sie das Thema in Zukunft aufnehmen, aber bisher haben sie das nicht.
Die herrschenden Ideen dieser Institutionen sind sehr wichtig. An einem Extrem befindet sich die Neo-Nazi-Bewegung in Griechenland, die Goldene Morgenröte. Am anderen Extrem befindet sich eine sehr akzeptable Partei wie die United Kingdom Independence Party oder UKIP, die aus Menschen besteht, die man wirklich gerne zum Abendessen einladen würde. Außerdem gibt es jede Menge dazwischen.
Diese Parteien haben ein breites Spektrum an Gemeinsamkeiten. Sie alle sorgen sich wegen des Islam, der Immigration; sie tendieren dazu populistisch und in einem gewissen Ausmaß nativistisch zu sein. Sie sind nicht generell rechtsgerichtet. Sie verbinden gewöhnlich ein starkes Gefühl des Nationalismus und ein linkes Wirtschaftsprogramm. Wilders ist ein perfektes Beispiel für diesen Mix, ebenso Marine Le Pen in Frankreich.
Marine Le Pen ist zudem auf eine andere Weise sehr wichtig. Ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, gründete 1972 die Partei Front National; er ist ein sehr launenhafter Mann, voller Theorien zur Holocaust-Leugnung, bizarren Wirtschaftsvorstellungen und Ähnlichem. Seine Tochter warf ihn vor kurzem aus der Partei, weil er Gepäck ist, das sie auf dem Weg in die Mitte und wahlfähig zu sein nicht brauchen kann. Ich sehe dies und die Pendants in weiteren Ländern als positiven Schritt. Mit anderen Worten: Wenn man will, dass die eigenen Partei wächst, wenn man 50 Prozent erreichen will, dann muss man all diese exzentrischen, hässlichen Gewohnheiten und Einstellungen loswerden, in denen sich viele Parteien ergehen. Will man ernsthaft mit diesen Halbschatten an Themen umgehen, die den Islam und die Immigration betreffen, dann muss man das auf eine moderate und ernste Weise tun, ohne merkwürdige und hässliche Theorien. Diese Verlagerung findet in einem Land nach dem anderen statt.
Ich konzentriere mich oft auf Schweden, weil es eines der dramatischsten Beispiele dieser Veränderung bietet. Die Schweden-Demokraten (SD) fingen 1988 an und haben einen bemerkenswerten Aufstieg genossen. Bei der Wahl von 1988 erhielten 0,4 Prozent der Stimmen; diese Wahlen finden, wie in den USA, alle vier Jahre statt. Das verdreifachte sich dann bis 2002 auf 1,3 Prozent. Dann steigerte sich das 2006 auf mehr als das Doppelte. 2010 wurde es fast genau doppelt so viel, 5,7 Prozent; das war eine entscheidende Leistung, denn eine Partei benötigt 5 Prozent, um in Schwedens Parlament einzuziehen. 2014 erreichten die SD mit 12,9 Prozent wieder mehr als das Doppelte. Aktuelle Umfragen zeigen sie bei 23 bis 24 Prozent, wieder fast das Doppelte. Sie sehen hier, wie die Schweden gegenüber den Fragen von Immigration und Islam auf eine Art und Weise aufwachen, die 1998 noch unvorstellbar war, als sie vor fast einem Vierteljahrhundert mit einem halben Prozent der Wahlbeteiligten anfingen.
Sie werden noch eine Menge über die Schweden-Demokraten zu hören bekommen. Wenn wir davon schon reden, wir haben hier bei uns im Saal Kent Ekeroth (bitte stehen sie auf, Kent), den internationalen Parteisekretär der Schweden-Demokraten. Er kann Ihnen über die Lage in Schweden später während der Konferenz mehr erzählen.
Schließlich einige Beobachtungen zu Osteuropa, den Teil Europas, der früher Teil des Sowjetblocks war. Dieser erlebte, um auf Herrn Greenfields Vortrag zurückzugreifen, echten und vollen Sozialismus, durchaus Kommunismus. Durch diese Erfahrung geimpft sind seine Einwohner nicht daran interessiert den Sozialismus noch einmal auszuprobieren. Eine Konsequenz davon ist, dass sie offen reden, auf eine Art und Weise, die man in Westeuropa nicht kennt. Viktor Orban aus Ungarn redet von der christlichen Zivilisation Europas. Die Regierungen der Slowakei und Polens sagen: Klar, wir nehmen syrische Flüchtlinge, aber nur die Christen unter ihnen.
Dass ihre gewählten Führungspolitiker, Menschen in Machtpositionen wie der Premierminister von Ungarn, in Westeuropa unvorstellbare Dinge sagen, ist wichtig, nicht nur, weil Osteuropa plötzlich als Weg nach Westeuropa im Spiel ist, sondern auch weil sie Ideen artikulieren, die ihre Pendants in Westeuropa sich nicht zu äußern wagen. Das ist ein neues Element, das erst im letzten halben Jahr plötzlich in die Gleichung einging, was möglicherweise ernste Folgen für einen alternativen Weg des Verständnisses von Immigrations- und Islamfragen überall in ganz Europa hat.
Meine Botschaft lautet, kurz gesagt: Gebt Europa nicht auf. Es ist noch nicht Eurabia. Es gibt positive Reaktionen auf die im Gang befindliche Krise. Dass Europa konstruktiv reagieren wird, ist keineswegs gesichert, aber es ist eine echte Möglichkeit. Wir Amerikaner können auf verschiedene Weisen helfen sie in die richtige Richtung zu weisen. Danke.
Auszug aus der Frage- und Antwort-Zeit:
Daniel Pipes: Ich möchte ein Wort der Warnung hinzufügen [zum vorherigen Gespräch, das den Westen und die Verunglimpfung von Muslimen feierte]. Ich bin Historiker und die Rolle eines Historikers besteht darin zu verstehen, wie die Dinge sich im Verlauf der Zeit verändern. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Worte einwerfen: Kommunismus und Nationalsozialismus. Die muslimische Welt hat nie etwas entwickelt, das auch nur annähernd so übel ist, wie das, was wir im Westen entwickelt haben. Lassen Sie uns nicht auf dem hohen Ross sitzen. Wir Westler haben eine Menge in unserer Geschichte, dessen wir uns sehr schämen sollten.
Ja, die muslimische Welt befindet sich heute an einem Tiefpunkt, sie durchläuft eine Krise und der Westen macht keine vergleichbare Krise durch. Aber es handelt sich nur um einen kurzen Moment in der Zeit. Wo hätten Sie 1943 lieber leben wollen? In Deutschland oder im Irak? In Italien oder im Senegal? Lassen Sie uns nicht sagen, dass einerseits die jüdisch-christliche Welt so wunderbar ist und andererseits die islamische Welt so furchtbar.
Lassen Sie mich das anders ausdrücken, da Sie [der Fragende] eine jüdische Schule besucht haben. In der langen Geschichte der in vorwiegend christlichen und muslimischen Ländern lebenden Juden verblüfft es festzustellen, dass seit dem Entstehen des Islam bis kurz vor das Ende des Zweiten Weltkriegs, also von 622 bis 1945, einem sehr, sehr langer Zeitraum, Juden fast immer aus mehrheitlich christlichen Ländern in mehrheitlich muslimische Länder flohen. Sie stimmten mit ihren Füßen ab, weil sie zurecht erwarteten, dass es ihnen in muslimischen Ländern besser gehen würde. Erst in den letzten 70 Jahren, seit 1945, einem Augenblick in der Zeit, sind Juden aus mehrheitlich muslimischen Ländern in vorwiegend christliche Länder geflohen.
Lassen Sie es uns nüchtern betrachten. Ja, ich stimme allen angeführt Einzelheiten zu - dass die aktuelle Immigration nur in eine Richtung geht, nicht in die andere, dass es nur eine Zivilisation gibt, in der Mädchen genital verstümmelt werden und so weiter; alles richtig. Aber die Dinge ändern sich im Lauf der Zeit. Wir waren nicht immer, wer wir heute sind und die Muslime waren nicht immer, wer sie heute sind. Bleiben Sie nüchtern.
Diese Feststellung gibt Grund für die Hoffnung, dass die muslimische Situation sich bessern kann. In meiner Karriere, die 1969 begann, ist es fast nie anders als schlechter geworden, aber das hat die positive Auswirkung, dass es besser werden könnte. Es impliziert zudem, dass wir Westler nicht zu stolz auf uns sein sollten und annehmen, dass für uns nichts falsch laufen könnte, denn auch wir machen monumentale Fehler. Denken Sie an den Aufstieg der Bewegung Goldene Morgenröte in Griechenland, der Heimat der westlichen Zivilisation. Lassen Sie uns bitte nicht zu stolz auf uns selbst sein und die Muslime nicht zu sehr verurteilen.