Wo, außer in Israel, findet man im Nahen Osten, einer Region der Bürgerkriege (Syrien, Jemen, Libyen), sich verhärtender Diktaturen (Türkei, Ägypten), atomaren Aufbaus (Iran) und potenzieller Wasser-Katastrophen (Irak), ein gutes Leben? Vielleicht überrascht die Antwort: in den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem Land am Persischen Golf.
Trotz der vielen Herausforderungen, vor denen das Land steht - die Nähe zu Iran und Irak, fast kein natürliches Süßwasser, abstürzende Ölpreisen, eine Bevölkerung, die zu acht Neunteln aus Ausländern besteht, lauernden gewalttätigen Islamisten - führen seine zehn Millionen Einwohner ein gutes Leben.
Zwei grundlegende Tatsachen schaffen die Voraussetzungen. Erstens haben die VAE die fast einzigartige Auszeichnung (zusammen mit der Schweiz) ein Land zu sein, das von einem Komitee regiert wird, einem einzigartigen: den sieben Herrschern der sieben Einzelemirate. Darüber hinaus sind diese Herrscher in ausgedehnte und einflussreiche Familien eingebettet. Diese Kombination macht es für Einzelne schwierig das Land allein zu beherrschen oder als Narziss zu herrschen. Gleichzeitig genießt jeder Souverän (insbesondere der Emir von Dubai) großen Spielraum innerhalb seines Herrschaftsbereichs, was jedem Emirat einen individuellen Charakter gibt.
Das Logo der sieben Herrscher für den Nationalfeiertag der VAE 2015. |
Zweitens bedeutet ein Vertrag zwischen Herrschern und Beherrschten, dass erstere eine breite Autorität im Gegenzug für Stabilität und Wohlstand genießen. Wie in anderen Monarchien am Persischen Golf (mit der geringfügigen Ausnahme von Kuwait) schafft eine Kombination aus Stammesvergangenheit und ölreicher Gegenwart eine Gesellschaft, in der es die übliche Politik des Gebens und Nehmens kaum gibt; sie wurde durch einen alles umfassenden Paternalismus ersetzt, der sich mit der Macht einer Regierung verbindet, die für den Schutz des Stammesfürsten keine Steuern erheben muss. Statt Demokratie zu üben geben die Herrscher Abendgesellschaften, die für alle offen sind.
Paternalismus setzt einfache Regeln voraus: Niemand fordert die Herrscher heraus. Niemals wird versucht ihre Macht einzuschränken. Öffentliche Etikette und Takt werden gepflegt. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die sich auf Familie und soziale Beziehungen, Einkaufszentren, Unterhaltung, Reisen und andere unschuldige Vergnügungen für Kinder, Familien und Paare konzentriert. Erotik, Nervosität und Radikalismus sind nicht willkommen. Nachrichten aus den VAE tendieren dazu langweilig zu sein, sich um die Treffen der Emire, Ölpreisänderungen, Geschäftseröffnungen, Brückensperrungen, Gebetszeiten und Sportergebnisse zu drehen. Das extravagante Hotel Atlantis in Dubai erinnert an Las Vegas, außer dass Glücksspiel, Alkohol und Prostitution in unterschiedlichem Maß illegal sind. Das Global Village, ebenfalls in Dubai, kommt einem wie Ableger von Disneyland vor.
Dubais Global Village kommt einem wie ein Ableger von Disneyland vor. |
Privat werden die Einwohner (Untertanen wie Expatriates gleichermaßen) weitgehend in Ruhe gelassen. Politische Diskussionen, politische Ideologien, Alkohol, Drogen, Sex - werden alle ignoriert, vorausgesetzt man ist umsichtig und gefährdet nicht die öffentliche Ordnung. Deckenkameras sind allgegenwärtig, aber Videoaufzeichnungen werden nur angesehen, wenn es einen bestimmten Grund dafür gibt.
Obwohl das System zumeist funktioniert, fühlt es sich für Ausländer, die den Trubel eines freien politischen Marktes, maximaler Selbstdarstellung und dem Recht Sitten infrage zu stellen gewöhnt sind, einengend an. Jedem, der sich außerhalb der akzeptierten emiratischen Grenzen bewegen will, ist zu raten seine Zelte woanders aufzuschlagen, da die Strafen abschreckend schwer sein können.
Zwei Beispiele: Ein britisches Paar, das sich bei einem All-you-can-eat-Champagnerbrunch traf, begab sich dann an einen Strand, um - ihre Version - zu knutschen oder - die Version der Regierung - Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Sie fanden sich schnell in einer Zwangseheschließung wieder, mit einer Geldstrafe belegt, litten unter psychischen Probleme und verbüßten eine dreimonatige Gefängnisstrafe, bevor sie abgeschoben wurden. Eine australische Frau, die von einem Auto, das zwei Behindertenparkplätze belegte, genervt war, kannte die Gewohnheiten im Emirat gut genug, um die Nummernschilder auf ihrem Foto zu verdecken, bevor sie es auf Facebook postete; dennoch stellte der Besitzer des den Ärger erregenden Fahrzeugs Anzeige wegen Beleidigung. Die Australierin wurde prompt verhaftet, einer Leibesvisitation unterzogen, verurteilt, ins Gefängnis gesteckt und dann ausgewiesen.
Michelle Palmer und Vince Acors, vom Strand zurück. |
Schlimmer ist, dass die Herrscherfamilie sich ungestraft danebenbenehmen kann. Issa bin Zayed Al-Nahyan, ein Bruder des Herrschers von Abu Dhabi, filmte sich selbst, wie er einen afghanischen Händler sadistisch folterte und beinahe ermordete, den er verdächtigte ihn betrügerisch um $5.000 erleichtert zu haben. Aber - anders als die australische Frau - litt Issa nicht unter Konsequenzen, weil der Innenminister, ein weiterer Bruder, ihn für unschuldig erklären ließ.
Zum Glück ist diese Art von Verdorbenheit infolge der sozialen Zwänge in den VAE recht selten. Verglichen mit den meisten Ländern des Nahen Ostens haben die Emirate eine Erfolgsformel gefunden. Komitee-Herrschaft hat ihre Grenzen, aber im Vergleich mit den Diktaturen, die die Länder im Umfeld dominieren, sieht das recht gut aus. Heuchelei ist nicht charmant, aber sie ist allemal besser als religiöse Unterdrückung, wie sie nebenan in Saudi-Arabien zu finden ist.
Mein Schluss ist einer der Vorsicht. Wie immer die Fehler der VAE aussehen (und davon gibt es jede Menge): Auf eine demokratischere Regierung und eine frei laufende Gesellschaft zu drängen, riskiert, diese Oase der Ruhe zu zerstören und das Land den Furien zu öffnen, die im Rest der Region vorherrschen. Es ist besser es gut sein lassen und seinen Einfluss fördern.
Daniel Pipes (www.DanielPipes.org) ist Präsident des Middle East Forum. © 2016 by Daniel Pipes. Alle Rechte vorbehalten.