Daniel Pipes ist Historiker, Kommentator und Autor, der früh vor der Gefahr des "militanten" oder "radikalen" Islam warnte.
Er ist der Gründer und Präsident des Middle East Forum, eines Think-Tanks, der Ableger schuf: Campus Watch, das die Nahost-Studien kritisiert; Islamist Watch, das gegen gewaltlose Jihadisten vorgeht; das Legal Project, das diejenigen schützt, die Islamismus diskutieren; und das Washington Project, das der US-Administration und dem Kongress Informationen zur Verfügung stellt.
Als Autor von 16 Büchern zum Islam, dem Nahen Osten und anderen Themen war Pipes vor kurzem zu privaten Treffen mit Unterstützern in Toronto. Dieses Interview, durchgeführt von Paul Lungen, wurde aus stilistischen Gründen und um Klarheit willen editiert und komprimiert.
Welches strategische Denken steckt hinter dem Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem?
Es gibt zwei verschiedene Interpretationen. Die übliche lautet, dass Donald Trump damit ein Wahlkampfversprechen erfüllt hat. Das passt in ein positives Verständnis des Wertes Israels, des Aufbaus der Beziehungen zwischen den USA und Israel. Dem stimme ich nicht zu. Ich betrachte das im Kontext einer größeren Anstrengung, die wenig mit Wahlkampfversprechen zu tun hat, sondern eine Menge mit Feindschaft gegenüber dem Iran.
Wenn man eine antiiranische Allianz aufbauen will, dann muss man mehrere Schritte unternehmen. Der erste besteht darin die Saudis mit Aufmerksamkeit und Waffen zu überhäufen, damit sie auf eine Weise als Verbündeter gewonnen werden, wie das noch nie zuvor der Fall war. Schritt zwei ist die Festigung und Erwärmung der Beziehungen zu Jerusalem – so wie der Umzug der Botschaft. Schritt drei ist die Erwärmung und Festigung der Beziehungen zu den Palästinensern. Das ist nicht geschehen – ganz im Gegenteil. Die palästinensische Autonomie (PA) hat den amerikanischen Amtsapparat seit eineinhalb Jahren boykottiert.
Ich betrachte das als vorübergehend. An einem bestimmten Punkt werden entweder Mahmud Abbas oder sein Nachfolger sagen: "Okay, Trump, du hast uns von Vorteile erzählt, die wir bekommen sollen. Wie sehen die aus?" Und wir wissen ziemlich gut, wie die aussehen. Die US-Regierung wird Palästina mit Jerusalem als Hauptstadt anerkennen und im Gegenzug sollen die Palästinenser das Rückkehrrecht aufgeben.
Trumps Denkweise lautet also: Wenn man sich um den palästinensisch-israelischen Konflikt kümmert, indem man jeder Seite gibt, was sie haben will, dann werden die Saudis Israel als vollwertigen Partner akzeptieren und man hat eine echte Allianz gegen den Iran. Das Problem damit besteht darin, dass die Palästinenser ihre Rolle nicht erfüllen und ihre Feindschaft gegenüber Israel nicht ändern werden. Das wird die US-Regierung einmal mehr ungehalten zurücklassen, wobei Israel dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Sache mit den Palästinensern nicht gelöst ist. Ich sehe Israel als denjenigen, der einmal mehr auf dem heißen Stuhl sitzt, wenn die Palästinenser sich danebenbenehmen.
Obwohl ich zum Zeitpunkt, als der Umzug bekanntgegeben wurde, begeistert war, denke ich, dass ich mir irgendwann wünsche, die US-Botschaft befände sich immer noch in Tel Aviv.
Vorbereitungen für die US-Botschaft in Jerusalem |
Was ist für Sie der Weg den Konflikt zu beenden?
Ich nenne es Sieg Israels. Dieser wird insbesondere durch die US-Regierung erreicht, aber auch durch andere Regierungen, wenn sie den Israelis sagen: "Tut, was nötig ist, um die Palästinenser zu überzeugen, dass das Spiel vorbei ist und sie verloren haben." Das jetzige Problem besteht darin, dass die Palästinenser nicht glauben, dass sie verloren haben. Sie glauben, sie haben eine Chance den jüdischen Staat zu eliminieren und daher geben sie bei der Verfolgung ihres Ziels Israel zu beseitigen ihre Kinder und vieles Sonstige preis.
Ich möchte, dass die Israelis, unterstützt von ihren Verbündeten, Politik betreiben, die die Palästinenser überzeugt, dass es keine Hoffnung gibt dieses Ziel zu erreichen.
Zurück zum Umzug der Botschaft: Es scheint so, als ob die Reaktion in arabischen Hauptstädten im Vergleich zu dem, was in den früheren Jahren hätte sein können, verhalten war.
Es war außergewöhnlich. Nicht eine einzige arabische Hauptstadt, einschließlich Damaskus und Bagdad, äußerte mehr als ein routinemäßiges Wort oder zwei dazu. Stattdessen waren es Ankara und Teheran, die deswegen besorgt waren, dazu in gewissem Ausmaß auch die Europäer.
Die arabischen Staaten benutzten den Konflikt mit Israel einige Jahrzehnte lang als Möglichkeit Meinung zu mobilisieren und von den aktuellen lokalen Problemen abzulenken. Das ist ein Tiger, von dem sie jetzt heruntersteigen wollen.
Wirklich interessant ist, dass man beträchtliche Risse in der muslimischen gegenüber Feindschaft Israel sieht, spektakulärerweise in Saudi-Arabien. In der Linken nimmt die Feindschaft gegenüber Israel jedoch immer mehr zu.
Wurde Israel durch den jüngsten Gaza-Konflikt über das blaue PR-Auge hinaus Schaden zugefügt? Hat die Hamas damit irgendetwas erreicht?
Die Hamas und die PA wissen beide: Wenn Palästinenser sterben, sieht Israel schlecht aus. Die Umstände spielen dabei keine Rolle. Ich weiß nicht, wie schwerwiegend und wichtig dieses blaue PR-Auge ist. Es gibt so viel anderes in der Welt, dass ich glaube, dass es nicht die wichtigste Entwicklung der jüngsten Zeit ist.
Aber es gibt diese bizarre Transformation, in der die Palästinenserführung tote Palästinenser haben will, während die israelische Führung sie leben sehen möchte. Das ist nicht die Art Krieg, wie der er traditionell geführt wurde.
Beachten Sie die gegensätzlichen Rollen, die die Kinderwagen bei Palästinensern (links) und Israelis haben. |
Der Iran schickte im Februar eine bewaffnete Drohne nach Israel. Israel hat iranische Aktivposten in Syrien bombardiert. Wohin wird das Ihrer Meinung nach führen? Werden wir am Ende einen größeren Krieg erleben?
Ich bin skeptisch, ob die Iraner für einen größeren Krieg mit Israel bereit sind; sie haben genug Probleme. Ihre Situation in Syrien ist noch nicht gefestigt. Es gibt große Spannungen mit Russland. Ihre Wirtschaft hat beträchtliche Schwächen. Es gibt interne Probleme in der iranischen Führung. Wie wir zum Jahreswechsel sahen, ist die iranische Bevölkerung nicht glücklich. Ich denke daher nicht, dass ein groß angelegter Krieg mit Israel bevorsteht. Außerdem ist Israel, wie die jüngsten Zwischenfälle zeigen, weit stärker, wenn es um konventionelle Kriegsführung geht.
Die Iraner haben allerdings andere Mittel den Israelis das Leben zu vermiesen. Sie haben Israelis und jüdische Einrichtungen rund um die Welt angegriffen. Denken Sie an Argentinien, Bulgarien, Aserbeidschan, Indien. Sie unterstützen die Hamas im Gazastreifen, aber am wichtigsten ist: Sie haben in etwa 150.000 Raketen und Flugkörper im südlichen Libanon, die in Anspruch genommen werden können, um Israel zu attackieren. Die Iraner haben also kapitale Karten im Ärmel – aber nicht für konventionellen Krieg.
Wie haben sich die strategischen Ziele der Amerikaner gegenüber dem Iran unter Präsident Trump geändert?
Die US-Regierung hat seit 40 Jahren Probleme mit der Islamischen Republik Iran, aber bisher hat es nie Bemühungen um einen Regime-Change gegeben. Unter Obama gab es den Versuch die Iraner einzubinden, nett zu ihnen zu sein, um zu sehen, ob sie das verändert. Davor war es Peitsche, nicht Zuckerbrot.
Unter Trump gibt es zwar keine erklärte Politik des Regime-Change, aber man kommt dem schon mächtig nahe. Es gibt eine nie da gewesene Bereitschaft sich dem iranischen Regime zu stellen, ob das nun wirtschaftlich, über Sanktionen oder auf andere Weisen ist, es notfalls auch es zu bekämpfen. Das ist also ein neues Zeitalter in den Beziehungen zwischen den USA und dem Iran.
Wenn die Zeit von 1979 bis 2009 eine Ära war und unter Obama 2009 bis 2016 eine zweite, dann befinden wir uns heute in einer dritten Ära.
Einige arabische Länder bewegen sich wegen der Bedrohung durch den Iran stärker auf Israel zu. Ist das etwas Vorübergehendes, das sich in traditionelle Feindseligkeit gegenüber Israel verändern wird, wenn es im Iran einen Regimewechsel gibt?
Ich glaube nicht, dass es zu dem zurückgehen wird, was einmal war, aber es wird gewiss nicht so weitergehen, wie es jetzt ist. Ja, das ist vorübergehend, es wird vergehen, es ist taktisch. Aber im Verlauf davon eine Weile taktisch zu sein, verändert es Denkweisen. Heute gibt es saudische Führer, die nach Israel reisen. Es gibt jede Menge Interaktionen. Ich glaube nicht, dass es zu dem zurückkehren wird, wo es war, aber die Erwärmung wird nicht andauern, ohne eine Lösung der Palästinenserfrage. Sehr weit kann das nicht gehen.
Erwarten Sie, so wie sich die demografischen Verhältnisse in Westeuropa verändern, dort weitere Feindseligkeit gegenüber Israel?
Ich glaube nicht, dass Demografie der Schlüssel ist. Es ist nicht die muslimische Bevölkerung Europas, die die Europäer gegen Israel gedreht hat. Das kommt dadurch, dass sie links sind und die Linke ist israelfeindlich. [Der britische Labour-Chef] Jeremy Corbyn ist ein Symbol dafür, aber es gibt auch so viele andere. Ich bin mir aber nicht sicher, dass es in dieser Richtung weiter geht, denn es gibt jetzt eine Gegenkraft, die das derzeitige Establishment ablehnt.
Eine Kundgebung in Stuttgart am 25. Juli 2014. |
Diese neuen Parteien haben Israel gegenüber allgemein Sympathie und diese Parteien rücken in den Vordergrund, wie man mit ein paar Ausnahmen überall in Europa sehen kann; Israel wird wahrscheinlich besser fahren, weil diese Parteien Bedenken wegen des Islam, Islamisierung, Scharia und Ähnlichem haben. Die schauen bezüglich dieser Sorgen natürlich auf Israel als Verbündetem.
Ich denke, wir treten in ein neues Zeitalter europäischer Politik ein, das weit unruhiger sein wird. Die alten Wahrheiten funktionieren nicht mehr. Ich denke, vor uns werden mehr Gewalt, mehr Streit, mehr Probleme liegen. Die Dinge ändern sich Europa.