Vom COVID-19 aus der Selbstgefälligkeit gerüttelt

Gibt es einen Silberstreif am Horizont der durch den COVID-19-Virus verursachten Störung? Beobachter vermerken eine Vielzahl möglicher positiver Auswirkungen, von langfristig niedrigeren Ölpreisen bis zu verbesserter Luftqualität, von geschwächten Extremistenbewegungen bis zu einer Lockerung unnötiger Vorschriften. Aber diese möglichen Nutzen verblassen neben dem wirklich großen: die Amerikaner aus ihrer Selbstgefälligkeit zu rütteln und ihre Köpfe gegenüber einer potenziellen Katastrophe zu öffnen.

Ein weltweiter Virus, der das Leben eines fast jeden verändert hat und die Wirtschaft durcheinander bringt, liefert eine schockierende Erinnerung an die Zerbrechlichkeit der Versorgungsketten, der Verletzbarkeit der öffentlichen Gesundheit und der unsicheren Lage der Demokratie. Diese beunruhigende Erfahrung wird positive Folgen haben, wenn sie selbstgefällige Geister für die Möglichkeit von Umwälzungen öffnet. Zwei bestehende Bedrohungen stechen als die wahrscheinlichsten heraus: ein elektromagnetischer Impuls (EMP) und der Untergang der westlichen Zivilisation.

EMP könnte zu einer sofortigen Katastrophe führen, indem Elektronik durchschmort wird, was moderne Wirtschaften paralysiert. So erklärt Peter Pry, ehemaliger EMP-Kommissionchef des Kongresses: "Wenn Sie glauben, der Coronavirus sei Angst einflößend, dann warten Sie, bis ein solarer Supersturm oder ein elektromagnetischer Impuls das nationale Stromnetz ausschaltet, die Wirtschaft und kritische Infrastruktur für Lebensmittel und Wasser kollabieren lässt; dann sterben 9 von 10 Amerikanern an Hunger." Beachten Sie die Zahl: 90 Prozent Tote.

In modernen Zeiten gab es zwei solare Superstürme, 1859 und 1921; 2012 ging ein dritter knapp an der Erde vorbei. Jonathan O'Callaghan schreibt im Scientific American, dass ein weiterer Supersturm "in naher Zukunft unausweichlich bevor steht".

Die Art von Ausbruch auf der Sonne, die Elektronik durchschmoren lässt.

Was ist mit einem Angriff? Die EMP-Kommission des Kongresses stellte fest, dass jede der Regierungen von China, Nordkorea, Russland und vielleicht des Iran auch mit einer kleinen Zahl Atomwaffen einen EMP-Angriff auf die USA ausführen könnte. Das würde "weit verbreitete, lange andauernde Schäden an entscheidender nationaler Infrastruktur, den USA selbst als lebensfähigem Staat und das Überleben einer Mehrheit ihrer Bevölkerung anrichten".

Noch vor einem Monat taten die meisten Amerikaner eine solch existenzielle Bedrohung ab. Sind wir, erschüttert von einem Virus mittelalterlicher Art heute bereit sie ernst zu nehmen und Geld – mehr als eine Milliarde Dollar – auszugeben, um uns vor Sonnenenergie und Feindangriffen zu schützen?

Was westliche Zivilisationen angeht, so entstanden diese laut Erklärung von Jeffrey Hart aus Dartmouth aus der "kreativen Spannung zwischen Athen und Jerusalem". Sie entwickelte sich dann über zwei Jahrtausende in die dominante Kraft der Welt, bestimmte fast jedes Volk in fast jedem Aspekt des Lebens. Die Moderne, argumentiert der Soziologe Rodney Stark, ist "komplett ein Produkt westlicher Zivilisation".

Ihr aufsteigender Verlauf scheint bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 sicher; das war die Tragödie, die eine Folge an Kriegen, Revolutionen und ideologischen Wutanfälle begann, die die heutige kulturelle Niedergeschlagenheit herbeiführte. Selbstzweifel, Scham wegen heller Haut und Schuldgefühle wegen der Geschichte des Imperialismus führten bei einer Mehrheit der Westler dazu, dass sie sich als Fluch und Geißel des Planeten betrachten. Danach folgten viele Schwächen, besonders demografisch und kulturell.

Kaiser Wilhelm inspiziert im Ersten Weltkrieg deutsche Truppen.

Mit der einzigen Ausnahme Israels kommt kein westliches Land den 2,1 Kindern pro Frau nahe, die nötig sind, um eine Bevölkerung zu erhalten. Wenn die aktuelle Fruchtbarkeitsrate von 1,3 Kindern pro Frau in Ländern wie Spanien und Italien stabil bleibt und es keine Zuwanderung gibt, dann wird ihre Bevölkerung fruchtbarer Frauen bis zum Jahr 2050 auf etwa 60 Prozent ihrer aktuellen Größenordnung abnehmen, bis 2080 auf 36 Prozent und bis 2110 auf 22 Prozent zurückgehen. Angesichts dessen, dass Geburtenraten im Verlauf der Zeit abstürzen sind diese Projektionen wahrscheinlich zu hoch.

Israel ist der Ausreißer des Westens (Dank an Alejandro Macarrón Larumbe)

Zuwanderung in den Westen findet aber statt, besonders durch Muslime. Angetrieben von Überbevölkerung, Armut, Diktatur und Bürgerkrieg in ihren Heimatländern kommen sie mit einem robusten Gefühl religiöser Überlegenheit und kulturellen Selbstbewusstseins im Westen an. Islamische Gebräuche aufzudrücken braucht Zeit, aber viele Zeichen deuten darauf hin, dass eine Verschiebung im Gang ist, darunter das Entstehen von kathedralenhaften Moscheen in westlichen Großstädten, dass Kritik am Islam tabu wird, Polygamie sich ausbreitet, Regierungen islamistische Wohlfahrtsorganisationen finanzieren, sogar die Regeln in städtischen Schwimmbädern ändern. Dieser Prozess geht so unerbittlich und still voran, wie die Abnahme indigener Bevölkerungen.

Westeuropas größte Moschee, die DITIB-Zentralmoschee in Köln

Schutz vor einer EMP-Katastrophe erfordert nur Geld. Die westliche Zivilisation zu erhalten erfordert jedoch eine bedeutende Verschiebung im Sinne von Selbst und Identität. Und anders als ein EMP, der sich plötzlich, in einem Augenblick abspielt, bewegt sich kulturelle Evolution langsam über Jahrzehnte.

Wenn etwas Unbekanntes in nur drei Monaten unser Leben umgestalten kann und vermutlich gewaltige Folgen hat, sind die Amerikaner jetzt vielleicht empfänglich gegenüber der Möglichkeit noch größerer Gefahren, die nicht von der Stange kommen. Oder müssen wir uns auch von diesen überraschen lassen? Unsere Chance dafür zu planen ist da; wir sollten sie nutzen.

Illustration der Washington Post zu diesem Artikel