Angesichts der Wahl für Donald Trump oder Joe Biden zu stimmen, stellt Gallup fest, dass ein Viertel der Amerikaner sagt, "keiner von beiden wäre ein guter Präsident". Es überrascht nicht, dass einige dazu neigen für einen dritten Kandidaten zu stimmen. Ich verstehe diesen Drang, habe ich 2016 doch selbst für den libertären Kandidaten Gary Johnson gestimmt. Aber die riesigen politischen Unterschiede 2020 machen es unerlässlich für den Kandidaten einer großen Partei zu stimmen.
Bei der Wahl eines Präsidenten – unseres Halbkönigs für vier Jahre – tendieren die Amerikaner dazu sich hauptsächlich auf den Kandidaten zu konzentrieren. Persönliches Erscheinungsbild, Gesundheit, Selbstdarstellung, Kondition, Prioritäten, gesunder Menschenverstand, Artikulation, Persönlichkeit, Leistungen, Referenzen, Familie, Grundsätze – jedes Element wird genau gemustert und analysiert. Und zurecht, denn jedes kleine Detail zu einer Person an der Spitze kann gewaltige Auswirkungen haben, direkt das Schicksal von 330 Millionen Menschen und indirekt den gesamten Globus beeinflussen.
Es macht Sinn sich bei der Vorwahl intensiv auf diese Dinge zu konzentrieren, wenn man die Wahl aus zwei oder mehr Kandidaten mit in etwa gleicher Einstellung hat. Bei den allgemeinen Wahlen spielen allerdings die oberflächlichen Qualitäten des Kandidaten eine viel weniger große Rolle bei der Entscheidung für wen man stimmt.
Der Grund dafür ist, dass der Kandidat ein riesiges Team leitet, das mit seiner Wahl die Regierung antritt, von Ministern im Kabinett über den Generalstabschef des Militärs bis hin zu Bundesrichtern und vielen, vielen anderen, einschließlich solcher Typen wie "leitende Assistenten für stellvertretende Stellvertreter" und anderen Bürokraten. Insgesamt reduzieren sie die Bedeutung des Mannes an der Spitze. Eine Stimme für den Kandidaten ist also eine implizite Stimme für das Team.
Ich rate daher, statt sich auf die Person auf die Gesamtperspektive einer Partei zu konzentrieren. Ist sie stolz auf die amerikanische Geschichte oder hebt sie deren Fehler hervor? Befürwortet sie die ursprüngliche Verfassung oder eine lebende Version davon? Betont sie Individualismus oder Gleichförmigkeit? Konzentriert sie sich auf den freien Markt oder auf Kontrlle durch die Regierung? Betrachtet sie die USA mehr als gute Kraft oder als Übel in der Welt?
Aus diesen ersten Prinzipien wird die Vielzahl bestimmter politischer Entscheidungen abgeleitet, die eine Administration charakterisieren und sie einzigartig machen. Diese, nicht das Erscheinungsbild oder die College-Noten des Präsidenten bestimmen seinen Platz in der Geschichte und die Verlaufskurve des Landes. Tatsächlich sind die Ansichten und Strategien des Teams oft scharfkantiger als die des Präsidenten und betonen die zentrale Bedeutung seiner Anschauungen weiter.
Persönlich ziehe ich die jeweils erste all dieser Paarungen vor: eine stolze Sicht der USA, Vorsicht bei der Verfassung und die Betonung von Individualismus und freien Märkten. Bei dieser Wahl stimmt nur eine der beiden großen Parteien mit meinen Einstellungen überein. Trotz meiner intensiven Aversion gegen Trumps Unmoral, Vulgarität und Selbstgefälligkeit bereiten mir diese heute weniger Sorge als das einzigartig radikale Programm der Demokraten. Und so empfahl ich ihn öffentlich. Um es mit den Worten des Journalisten Bernard Goldberg zu sagen: "Er ist ein widerwärtiger Mann. Und ich hoffe, er gewinnt."
Die Illustration des Boston Globe zu diesem Artikel |
Warum stimmte ich dann 2016 libertär? Weil Trump ein Populist zu sein schien, der die republikanische Partei, die konservative Bewegung und sogar die amerikanische Demokratie ruinieren wollte. Daher stelle ich in Übereinstimmung mit dem hier vorgelegten Argument meine Abneigung und meine Ängste beiseite.
Dieselbe Logik gilt für Demokraten, die eine bestimmte Politik vorschlagen, die vom Aufhalten des Klimawandels bis zur Bekämpfung des systematischen Rassismus reicht. Eine Stimme für Joe Biden läuft nicht nur auf eine Stimme für sein Programm und sein Team hinaus, sondern angesichts seines Alters impliziert sie zudem eine Stimme für die Demokraten, die ihn in die Regierung begleiten werden, von seiner Frau Jill und seiner Vizepräsidenten-Kandidatin Senatorin Kamala Harris bis zu der Menge Personal aus der Zeit Obamas, das vorbereitet ist höhere Positionen einzunehmen als bei ihrer letzten Runde.
Es ist wahrscheinlich aussichtslos sich zu wünschen, dass sich die Wahlkampf-Berichterstattung weniger Baseball, Meinungsumfragen, Skandalen und persönlichen Marotten widmet und mehr den großen Visionen der großen Parteien. Es wäre nett, wenn Reporter und Kommentatoren immer wieder einmal einen Schritt von der Unmittelbarkeit des Pferderennens zurücktreten würden und über die Wahl nachdenken – die dieses Jahr außergewöhnlich tiefgreifend ist und wahrlich folgenschwere Folgen haben wird – die die Wähler haben. Aber wie Kinder tendieren sie dazu mehr von der Verpackung als vom Inhalt fasziniert zu sein.
Ich dränge die Wähler, sich auf die auffallend unterschiedlichen Wahlprogramme der beiden großen Parteien (die sich nicht wie Zwillinge gleichen) einzugehen und zu unterstützen, wer immer zu ihren eigenen Ansichten passt; und das ohne Rücksicht auf die vielen Mängel der Kandidaten.
Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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