Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu erklärte vor ein paar Tagen großspurig: "Wenn die Welt in Flammen steht, ist die Türkei die Feuerwehr. Die Türkei übernimmt die Führungsrolle für die Stabilität im Nahen Osten."
Gül begrüßt herzlich Ahmadineschad. |
Diese Fehler erwiesen sich jedoch als extrem stark mit Auswirkungen belastet; sie führten zur Zurückweisung lange etablierter politischer Parteien und dem Sieg einer islamistischen Partei, der Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP), bei den Wahlen vom November 2002. Bis März 2003 signalisierte die Regierung angesichts des anstehenden Kriegs im Irak, dass ein neues Zeitalter begonnen hatte: Sie verweigerte dem amerikanischen Militär die Erlaubnis zur Durchquerung türkischen Territoriums.
Im Verlauf der nächsten acht Jahre wurde die türkische Außenpolitik dem Westen gegenüber im Allgemeinen, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Israel gegenüber im Besonderen zunehmend feindselig; gleichzeitig erwärmte sie sich gegenüber Syrien, dem Iran und Libyen. Diese Verschiebung wurde im Mai 2010 besonders offensichtlich, als Ankara zum einen Teheran half Sanktionen wegen dessen Atomprogramm zu vermeiden, zum anderen Israels Ruf über die von der Mavi Marmara angeführten Flottille Schaden zufügte.
Doch das volle Ausmaß der Ambitionen Ankaras im Nachen Osten stellte sich erst Anfang 2011 heraus, gleichzeitig mit den weit reichenden Unruhen der Region. Plötzlich war die Türkei allgegenwärtig. Zu ihren jüngsten Aktivitäten gehören:
Erdoğan konferiert mit einem zufriedenen al-Assad. |
Dem Iran eine wirtschaftliche Rettungsleine bieten: Gül stattete Teheran im Februar einen Besuch ab; er wurde von einer großen Gruppe Geschäftsleute begleitet, die eine Entwicklung krönten, über die nach Angaben der Jamestown Foundation die "Türkei eine wesentliche [wirtschaftliche] Rettungsleine für den Iran wird". Zusätzlich lobte Gül das politische System des Iran.
Die Anstrengungen des Auslands in Libyen behindern: Ab dem 2. März erhob die türkische Regierung Einspruch gegen jede militärische Intervention gegen Mu'ammar al-Gaddafis Regime. "Interventionen aus dem Ausland, besonders militärische Interventionen, verstärken das Problem nur", formulierte es Davutoğlu am 14. März, vielleicht in Sorge über eine militärische Intervention zum Schutz der Kurden in der östlichen Türkei. Als die militärischen Operationen am 19. März begannen, beteiligten sich türkische Streitkräfte daran nicht. Der Widerstand der Türkei verzögerte den Waffengang der NATO in Libyen bis zum 31. März und befrachtete ihn dann mit Auflagen.
Unterstützung für Gaddafi: Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan half Gaddafi mit der Verkündung demagogischer Bekanntmachungen ("Die Türkei wird niemals zu denen gehören, die eine Waffe auf das libysche Volk richten"). Nach Angaben der Zeitung Hürriyet bot Ankara außerdem an "sich an der Verteilung humanitärer Hilfe in Libyen zu beteiligen, das Management des Flughafens von Benghazi zu übernehmen und Marinekräfte zu stationieren, die den Bereich zwischen Benghazi und der griechischen Insel Kreta kontrollieren". Gaddafi antwortete dankbar: "Wir sind alle Ottomanen." Im Gegensatz dazu schäumten die libyschen Rebellen und marschierten protestierend gegen die türkische Regierung.
Erdoğan könnte al-Gaddafi kaum näher kommen. |
Antizionismus: Im Januar ist Ankara als Führer der Delegitimisierung Israels in Erscheinung getreten. Davutoğlu versucht Israels Feinde zu einen, während er gleichzeitig Israels Verschwinden vorhersagt; eine der Regierung nahe stehende Organisation plant eine neue "Freiheits"-Flottille zum Gazastreifen, an der mindestens 15 Schiffe teilnehmen; und der stellvertretende Verteidigungsminister fordert eine Bombardierung Israels in der Art des Eingreifens in Libyen.
Ankaras Ambitionen müssen gebremst werden. Es ist weniger provokativ und es ist intelligenter als das Regime im Iran, doch es strebt die Umformung der muslimischen Staaten nach ihrem islamistischen Bild an. Die Eröffnungssalven dafür sind gut verlaufen, waren effektiv und blieben weitgehend unbemerkt.
Zu den Möglichkeiten, den Einfluss der AKP zu blockieren, gehört: den Unmut über Ankaras "neo-ottomanische" Politik zum Ausdruck zu bringen; öffentlich in Frage zu stellen, ob das Handeln der Türkei mit der Mitgliedschaft in der NATO vereinbar ist; im Stillen die Oppositionsparteien für die Wahlen des Landes im Juni 2011 zu stärken; und in diesem Moment der Feindseligkeit der AKP und kurdischer Aufstände im Osten der Türkei über die sensible Frage der Bürgerrechte der Kurden nachzudenken.