Interview durch Madalina Sisu Vicari
I. Trumps Außenpolitik
Vocal Europe: Wie unterscheiden sich die Administrationen Obama und Trump in ihrer Nahost-Politik?
Daniel Pipes: Die Nahost-Politik Obamas war einfach zu beschreiben, da sie über acht lange Jahre hinweg recht beständig war: Entschuldige dich für Amerikas Verfehlungen der Vergangenheit, "führe von hinten", strecke den Feinden die Hand entgegen und verunglimpfe die Verbündeten.
Als Kontrast dazu hinterlassen sieben Monate Trump ein Bild fast völliger Konfusion. Das vielleicht beste Beispiel ist Trumps Lob für Ägyptens Präsidenten Sisi im April, was für "einen fantastischen Job" dieser macht, gefolgt im August von einer beträchtlichen Kürzung der US-Hilfe – und von der die Ägypter nur erfuhren, weil sie eine Reuters-Meldung lasen! Der Widerspruch kann zwar erklärt werden, bestätigt aber das Chaos.
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi (links) und US-Präsident Donald Trump am 3. April 2017 im Oval Office (AP) |
Weitere Beispiele der Ambivalenz: ob die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt wird, ob der Iran-Deal zerrissen wird, ob man auf der Seite von Saudi-Arabien et.al. gegen Qatar steht und ob man die Hisbollah bekämpft oder sie kostenlos mit Waffen versorgt. Offenkundig ist diese Bilanz kein Ansporn für überzeugende Vorhersagen.
VE: Im Oktober wird Trump eine seiner wichtigsten Entscheidungen treffen müssen: ob er weiterhin iranische Einhaltung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), des 2015 erzielten Atom-Deals, bestätigt. Er ist dagegen, aber Außenminister Rex Tillerson glaubt, die USA sollten am Deal festhalten und Teheran zur Rechenschaft ziehen, auch dafür, einschließlich seines Agierens als "guter Nachbar". Angesichts der Unterstützung des Iran für ausländische Kämpfer in Syrien und dem Irak, seiner Unterstützung von Erfüllungsgehilfen, einschließlich Waffenlieferungen – welche Option würde den Iran am ehesten dazu veranlassen als "guter Nachbar" zu handeln? Erneute Bestätigung? Dem Iran zu attestieren, dass er den Deal nicht einhält? Oder etwas anderes?
DP: Ich favorisiere das Zerreißen des JCPOA. (Übrigens, was genau ist ein "Aktionsplan"?) Wie Trump sagte: Er ist der "schlimmste jemals ausgehandelte Deal". Oder wie ich es formuliere: Es ist der schlechteste Deal mit dem Ausland in der amerikanischen Geschichte. Aber wie bei Obamacare ist es einfacher gegen zwei bedeutende Errungenschaften des vorherigen Präsidenten zu wettern als sie rückgängig zu machen.
VE: Erwarten Sie, dass Washington gegenüber dem Iran härter handeln wird?
DP: Ohne eine philosophische Grundlage zu seinen Ansichten und seinem Handeln reagiert Trump auf direkte Stimuli, was ihn bekanntermaßen schwierig vorhersagbar macht. Wenn die Iraner ihn beschwichtigen, dann nein. Verärgern sie ihn, dann ja.
Übrigens finde ich es eigentümlich, dass mehrere Akteure des Nahen Ostens neben Teheran (ISIS, die palästinensische Autonomiebehörde) diese Grundeinsicht zu Trump ignorieren und ihm offen trotzen, womit sie sich selbst in Gefahr bringen. Im Gegensatz dazu haben Saudi-Arabiens Mohamed bin Salman und Israels Benjamin Netanyahu herausgefunden, wie er tickt.
VE: Wie bewerten Sie die US-Politik in Sachen Qatar-Krise?
DP: Der Präsident zog auf seiner eigenen Linie los (Unterstützung Riyadhs aus voller Kehle Riyadh), während das außenpolitische Establishment in eine andere Richtung zog (unauffällige Vermittlung). Es scheint so, als habe das Establishment obsiegt.
VE: Was halten Sie vom aktuellen Besuch einer Delegation des Weißen Hauses im Nahen Osten, die von Präsidentenberater Jared Kushner geleitet wird?
DP: Das ist ein ritualisierter Akt der Diplomatie, der schnell vergessen werden wird.
VE: Gibt es eine denkbare Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt?
DP: Ja, aber nur wenn die Palästinenser anerkennen, dass der jüdische Staat permanent ist und sie aufhören ihm Schaden zuzufügen. Wenn das geschieht, werden beide Seiten gewinnen. Die Israelis werden nicht weiter in Pizzerien ermordet; die Palästinenser können anfangen ihr Gemeinwesen, ihre Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur aufzubauen.
II. Erdoğans Außenpolitik
VE: Israel und die Türkei tauschten nach einer sechsjährigen Entzweiung Ende 2016 wieder Botschafter aus. Was sind die Herausforderungen für die volle Normalisierung der türkisch-israelischen Beziehungen?
DP: Volle Normalisierung ist unmöglich, solange die Regierung der Türkei Israel als Instrument nutzt, um islamistischen Antisemitismus aufzupeitschen.
Der türkische Präsident Erdoğan (oben, rechts) und Israels Präsident Rivlin (unten, rechts) jeweils mit dem neuen israelischen bzw. türkischen Botschafter im Dezember 2016. Welches nationale Paar sieht glücklicher aus? |
VE: Die Kurdische Nationalregierung (KRG) wird am 25. September eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten. Warum fordert die Administration Trump die KRG nicht auf, die Abstimmung mindestens bis nach den nationalen irakischen Wahlen m April 2018 zu verschieben?
DP: Das Außenministerium erklärte im Juni seine Sorge, dass die Volksabstimmung von "dringenderen Prioritäten" als den Sieg über ISIS ablenken wird. Für mich ist das kein Grund (ich erwarte nicht einmal, dass ISIS verschwindet, denn so grauenvoll er ist, er hält die iranische Expansion auf, die noch bedrohlicher ist).
Obwohl ich die kurdische Unabhängigkeit und einen einheitliche, großen Kurdenstaat unterstütze, sehe ich die Volksabstimmung als Gefahr für alle Beteiligen, weil sie eine höchst instabile Region weiter erschüttert, vielleicht eine der Zentralregierungen der Türkei, des Iran oder Irak zur Invasion der KRG provoziert, vielleicht zu einer Konfrontation zwischen den US-amerikanischen und russischen Streitkräften führt.
VE: Ankara will, dass die KRG die Volksabstimmung absagt. Wenn die KRG das ablehnt, wie wird die Volksabstimmung die Beziehungen zwischen der Türkei und der KRG beeinflussen?
DP: Es könnte die Republik Türkei dazu bringen die wirtschaftlichen Verbindungen zu reduzieren und sogar zu einem türkischen Einfall führen.
VE: Wie wird das die Beziehungen der Türkei zu den Kurden der Türkei und Syriens beeinflussen?
DP: ich erwarte, dass Ankara noch härter gegen seine kurdischen Bürger vorgeht und gegenüber den Türken Syriens noch aggressiver wird.
VE: Während eines seltenen Besuchs des militärischen Generalstabschefs des Iran beim NATO-Mitglied Türkei vor zwei Wochen diskutierten die militärischen Leiter der Türkei und des Iran über Terrorbekämpfung und Kooperation mit Syrien; signalisiert das eine strategische Annäherung der beiden Regierungen?
DP: Das bezweifle ich. Ich schrieb gerade in einem historischen Überblick zu den Beziehungen der zwei Länder: "Die Vereinbarung von Idlib [sieht] nach einer unsoliden und kurzlebigen aus. Teheran und Ankara werden sich vermutlich bald gegeneinander wenden und ihre immerwährende Rivalität mit erneuertem Elan fortsetzen."
VE: Werden ihre verbesserten Beziehungen eine weitere Verschlechterung in den Beziehungen zwischen den USA und der Türkei einleiten?
DP: Sicher. Ein NATO-Mitglied, das ein wichtiges Verteidigungssystem in Russland kauft, gemeinsam mit China Manöver abhält und sich mit dem Iran koordiniert? Für Amerikaner sieht die Türkei gewaltig wie ein Gegner aus statt wie ein Verbündeter.
VE: Was halten Sie von der Forderung der Türkei, die Vereinigten Staaten sollten Fethullah Gülen wegen seiner angeblichen Rolle beim Putschversuch vom Juli 2016 auszuliefern?
Fethullah Gülen, in Pennsylvania Zuhause |
DP: Die türkische Opposition nennt das den "kontrollierten" Putsch in dem Sinne, dass er von Erdoğan und der herrschenden Partei AKP "vorhergesehen wurde, nicht verhindert wurde und sie von ihm profitierten; ich stimme dieser Beschreibung zu, zum Teil auch, weil die türkische Regierung sich systematisch gegen eine unabhängige Untersuchung des Putsches gewehrt hat.
Wenden wir uns Gülen zu: Quellen in der US-Regierung haben angedeutet, dass Ankara keine Beweise für seine Mittäterschaft beim, geschweige denn seiner Führung des Putschversuchs vorgelegt hat. Entsprechend ist diese Beschuldigung für mich das übliche Marktgeschrei und Täuschung.