Glaubt die Regierung Bush wirklich, wie ihre Führung seit dem 11.9.2001 ständig wiederholt hat, dass der Islam eine Religion des Friedens" ist, ohne Verbindung zum Problem des Terrorismus? Es gibt reichlich Hinweise darauf, dass sie es besser wusste, aber Jahr um Jahr blieb die offizielle Linie dieselbe. Von außen betrachtet schien es so, als betreibe die Bürokratie Selbsttäuschung.
Tatsächlich lagen die Dinge aber besser als sie schienen, wie David E. Kaplan in einer wichtigen Untersuchung im U.S. News & World Report" feststellt; dazu stützt er sich auf mehr als 100 Interview und die Auswertung eines Dutzend interner Dokumente. Frühere Streitereien über die Natur des Feindes – Terrorismus statt radikaler Islam – sind gelöst worden: Amerikas höchste Beamte stimmen weit gehend darin überein, dass der größte ideologische Feind des Landes eine hoch politisierte Form des radikalen Islam ist und dass Washington und seine Verbündeten es sich nicht leisten können daneben zu stehen", während er weiter an Stärke gewinnt. Um diese Ideologie zu bekämpfen vertritt die US-Regierung jetzt eine nicht radikale Interpretation des Islam.
Im heute erschienenen Hearts, Minds, and Dollars: In an Unseen Front in the War on Terrorism, America is Spending Millions to Change the Very Face of Islam" (Herzen, Gemüter und Dollars: An einer unsichtbaren Front im Krieg gegen den Terrorismus gibt Amerika Millionen aus, um das wahre Gesicht des Islam zu ändern) erklärt Kaplan, dass Washington ihn als Sicherheitsproblem nicht nur innerhalb der muslimischen Welt, sondern innerhalb des Islam begreift. Washington hat sich auf die Wurzeln des Terrorismus konzentriert – nicht Armut oder US-Außenpolitik, sondern eine umfassende politische Ideologie.
Ein Schlüsseldokument dabei, das zu erreichen, war die National Strategy for Combating Terrorism" (Nationale Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus), die vom Weißen Haus im Februar 2003 veröffentlicht wurde und die als Basis für die ambitionierteren, detaillierteren Muslim World Outreach" dient, der Mitte 2004 vervollständigt wurde und jetzt der führende Leitfaden ist. (Eine Diskussion der Regierung zu diesem Thema vom August 2004 ist online verfügbar.) Die US-Regierung als säkulare und vorwiegend nicht muslimische Institution sieht sich vielen Begrenztheiten in dem gegenüber, was grundsätzlich eine religiöser Disput ist; daher wendet sie ich muslimischen Organisationen zu, die ihre Ziele teilt, darunter Regierungen, Stiftungen und gemeinnützige Gruppen.
Die Taktiken zur Bekämpfung des radikalen Islam und das Werben für den moderaten Islam variieren von einem Ministerium zum anderen: Seine verdeckten Operationen bei der CIA, psychologische Kriegsführung im Pentagon und öffentliche Diplomatie im Außenministerium. Was immer Name und Ansatz sind, das gemeinsame Element besteht darin, zur sanften Weiterentwicklung des Islam zu ermutigen. Um das zu erreichen, so schreibt Kaplan, hat die US-Regierung sich auf eine Kampagne der politischen Kriegsführung begeben, die seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges Ihresgleichen sucht". Das Ziel ist
nicht nur die muslimischen Gesellschaften, sondern den Islam selbst zu beeinflussen... Obwohl US-Vertreter sagen, dass sie nicht in einen theologischen Kampf hineingezogen werden wollen, haben viele den Schluss gezogen, dass Amerika nicht länger abseits sitzen kann, während Radikale und Moderate um die Zukunft einer politisierten Religion mit mehr als einer Milliarde Anhänger kämpfen. Das Ergebnis ist ein außergewöhnlicher – und wachsender – Versuch zu beeinflussen, was von Offiziellen als eine islamische Reformation beschrieben wird.
In mindestens zwei Dutzend Ländern, schreibt Kaplan
hat Washington in aller Stille islamische Radio- und Fernsehsendungen, Kurse an muslimischen Schulen, muslimische Think Tanks, politische Workshops oder anderer Programme finanziert, die für den moderaten Islam werben. Mit Bundeshilfen werden Moscheen restauriert, antike Korane gerettet, sogar islamische Schulen gebaut... einzelne CIA-Stationen in Übersee machen einige schneidige und innovative Züge. Dazu gehört auch, Geld in die Neutralisierung militanter, antiamerikanischer Prediger und Rekrutierer zu stecken. Wenn du heraus findest, dass Mullah Omar an der einen Straßenecke steht und das tut, dann setzt du Mullah Bradley auf die andere Straßenseite, um dagegen zu halten", erklärte kürzlich ein pensionierter Beamter. In ernsteren Fällen, sagt er, würde Rekrutierer gefangen genommen und befragt". Geheimdienst-Mitarbeiter haben falsche Jihad-Internetseiten eingerichtet und zielen auf arabische Nachrichtenmedien.
Insgesamt sind einige Teile der US-Regierung in den mindestens 24 Ländern in diesen islamischen Aktivitäten aktiv. Zu den Projekten gehört
Die Restaurierung historischer Moscheen in Ägypten, Pakistan und Turkmenistan. In Kirgisien halfen Gelder der Botschaft einen wichtigen Sufi-Schrein zu restaurieren. In Usbekistan ist Geld in den Erhalt antiker islamischer Manuskripte, darunter 20 Korane, von denen einige aus dem 11. Jahrhundert stammen. In Bangladesch bildet USAID Moscheeführer in Entwicklungshilfefragen aus. In Madagaskar sponserte die Botschaft sogar einen Sportwettbewerb zwischen Moscheen. Ebenfalls finanziert wurden islamische Medien aller Art, von der Übersetzung von Büchern bis hin zu Radio und Fernsehen in mindestens einem halben Dutzend Staaten.
Madrassas – islamische Schulen – sind von besonderem Interesse, denn diese bilden die nächste Generation von Jihadis und Terroristen aus. Washington wendet mehrere Taktiken an, um ihrem Einfluss entgegenzuwirken:
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In Pakistan gehen US-Gelder direkt an Dritte, um Madrassa-Lehrer zu lehren praktische Fächer (Mathematik, Wissenschaften und Gesundheit) in ihren Lehrplan aufzunehmen, ebenso Kurse in Staatsbürgerkunde. Ein Programm für Modell-Madrassas" ist auf den Weg gebracht, an dem einmal mehr als 1000 Schulen beteiligt sein könnten.
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Am Horn von Afrika (das das Pentagon als Djibouti, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Somalia, den Sudan und den Jemen definiert) findet das US-Miliätr heraus, wo Islamisten planen eine Madrassa einzurichten, um dann in direkter Konkurrenz mit diesen öffentliche Schulen zu bauen.
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In Uganda hat die US-Botschaft drei US-Botschaft drei Zuschüssen für die Finanzierung des Baus von drei Madrassas im Grundschulbereich zugesagt.
Kaplan zitiert einen amerikanischen Terror-Analysten: Wir sind im Madrassa-Geschäft." Aber nicht jede Hilfe hat einen ausdrücklich Islamischen Inhalt. Amerikanisches Geld finanziert zum Teil eine Satelliten-Version der Sesamstraße auf Arabisch, die die Notwendigkeit religiöser Toleranz betont.
Das Budget der U.S. Agency for International Development (USAID) ist fast verdreifacht worden, auf mehr als 21 Milliarden Dollar; davon geht mehr als die Hälfte in die muslimische Welt. Zusätzlich zu den bekannten wirtschaftlichen Entwicklungsprogrammen rücken politische Projekte mit islamischen Gruppen, so die Finanzierung von politischer Ausbildung und der Finanzierung von Medien, in den Vordergrund. Die Ausgaben der öffentlichen Diplomatie durch das Außenministerium ist seit dem 11.9. um fast die Hälfte auf beinahe 1,3 Milliarden Dollar gestiegen; weitere Erhöhungen werden erwartet. Diese Großzügigkeit hat neben anderen Programmen den arabischsprachigen Radiosender Sawa und Alhurra TV finanziert. Trotz vieler Beschwerden, sagt Kaplan, gibt es Anzeichen von Erfolg. Zu den anstehenden Plänen gehört, dass Alhurra in Europa verfügbar wird und dass die Programme auch auf das Persische und andere Schlüsselsprachen ausgedehnt werden.
Kommentare:
1. Daran zu arbeiten, wie Muslime ihre Religion verstehen, wirft natürlich eine schwierige Fragen auf. Es ist eines, wenn man moderaten Muslimen helfen will, aber etwas ganz anderes, sie zu finden. Wie ich in Moderate Muslime erkennen" anmerkte, gibt es große Verwirrung darüber, wer wirklich ein moderater Muslim ist und die US-Regierung hat diesbezüglich eine furchtbare Bilanz. Ich hoffe natürlich, dass die, die die Vorgaben des Muslim World Outreach" umsetzen, sich in der notwendigen Weise informieren, um alles richtig zu machen.
2. Es besteht die Möglichkeit, dass US-Steuergelder islamische Medien, Schulen und Moscheen finanzieren und das deren Möglichkeiten aufwertet, denn den Islam zu beeinflussen und für den Islam zu werben werden leicht eins, besonders angesichts der pro-islamischen Haltungen vieler politischer Führer in den USA. (Aus diesem Grund habe ich den Bau einer Moschee im Irak und von Madrassas in Indonesien kritisiert.) Für den Islam zu werben steht dem ersten Verfassungszusatz entgegen (Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einrichtung einer Religion ehrt") und der Verfassungsexperte Herman Schwartz schätzt die Förderung islamischer Institutionen als eventuell verfassungswidrig" ein. Das zeigt wiederum die Notwendigkeit extremer Vorsicht auf.
3. Ich begrüße den Ansatz Muslim World Outreach" von ganzem herzen; das überrascht kaum, denn er liegt meinen eigenen Empfehlungen sehr nahe. Hier Auszüge aus meine Artikel Wer ist der Feind" vom Januar 2002:
Die Vereinigten Staaten, ein überwältigend nicht muslimisches Land, kann zweifellos nicht die Probleme der muslimischen Welt lösen... Die außen Stehenden und besonders die USA können jedoch maßgeblich zur Beschleunigung des Kampfs beitragen und zur Beeinflussung seines Ausgangs beitragen. Das können sie tun, indem sie die militante Seite schwächen und der gemäßigten helfen... Um den militanten Islam zu schwächen, wird eine phantasiereiche und anspruchsvolle Politik notwendig sein, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Länder zugeschnitten ist.
Wir sollten uns aber nicht vormachen. Wenn die USA mehr als 100 Millionen islamistische Feinde haben (ganz zu schweigen von der noch größeren Zahl der Muslime, die uns aus den verschiedensten anderen Gründen Schlechtes wünschen), dann können sie nicht alle ausgeschaltet werden. Statt dessen muss das Ziel sein, sie abzuschrecken und im Zaum zu halten... Das ist der Punkt, an dem die moderaten Muslime ins Spiel kommen. Wenn rund die Hälfte der muslimischen Bevölkerung Amerika hasst, tut es die andere Hälfte nicht. Unglücklicherweise sind sie unbewaffnet, unorganisiert und praktisch ohne Stimme. Die USA brauchen sie nicht wegen ihrer Macht. Sie brauchen sie wegen ihrer Ideen und der Legitimität, die sie verleihen, und diese Aspekte ihrer Stärken ergänzen die Washingtons sehr gut...
In Bezug auf den Islam ist die Rolle der USA weniger, ihre eigenen Ansichten anzubieten, als denjenigen Muslimen zu helfen, die vereinbare Ansichten haben, besonders in Fragen wie den Beziehungen zu Nichtmuslimen, Modernisierung und den Rechten der Frauen und Minderheiten. Das heißt, den Moderaten dabei zu helfen, ihre Ideen von US-finanzierten Rundfunkstationen wie dem neu geschaffenen Radio Free Afghanistan zu verbreiten und, wie Paula Dobriansky (Staatssekretärin für Außenbeziehungen im Außenministerium) vorschlug, sicher zu stellen, dass tolerante islamische Persönlichkeiten (Gelehrte, Imame und andere) in von den USA finanzierten akademischen und Kultur-Austauschprogrammen eingebunden werden.
4. Es ist sehr gut, dass David Kaplan die Umrisse der Bemühungen Washingtons verfügbar gemacht hat, wie der Islam in Ordnung gebracht werden soll. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das zu groß ist, als dass die Regierung alleine daran arbeiten kann; die Wählerschaft als Ganzes muss darüber diskutieren.